Unternehmern stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, die Firmenübernahme finanziell zu stemmen. Dabei spielt staatliche Unterstützung eine wichtige Rolle (Instrumente mit Förderung sind dunkel umrandet).
QUELLE: DEUTSCHE BANK 2016
Eine gut eingeführte Firma übernehmen? Unbezahlbar, denken viele. Doch man muss kein Millionär sein, um diesen Schritt finanziell zu stemmen. Gute Vorbereitung ist wichtiger
TEXT: STEPHAN SCHLOTE
Es gehört zu den gängigen Klischees, dass Unternehmerkinder den elterlichen Betrieb einfach erben. Diese Kinder, so sagt man dann, „sind mit dem goldenen Löffel im Mund geboren“. Unternehmertum wirkt da fast wie ein Geschenk. Mit der Realität haben solche Vorstellungen eher wenig zu tun. Erst recht, weil viele Nachfolger sogar aus der eigenen Familie den elterlichen Betrieb nicht einfach so vererbt bekommen, sondern dafür zahlen müssen. Denn mal wollen bei der Nachfolge weitere Gesellschafter ausbezahlt werden, mal benötigt die Elterngeneration den Verkaufserlös für die eigene Altersversorgung.
Diese Realität erlebte auch die Unternehmertochter Lisa Döll. Ihr Vater hatte gemeinsam mit einem Mitgesellschafter die Münchner V.OX-TEC zu einem erfolgreichen Ersatzteillieferanten für die Halbleiterindustrie aufgebaut. Chiphersteller wie Texas Instruments oder Bosch gehören zu den weltweiten Kunden. Doch 2011 steigt der Mitinhaber aus und muss ausbezahlt werden. Tochter Lisa, die das Unternehmen in der Familie halten will, ist zu diesem Zeitpunkt gerade 33. „Ich hatte kein Haus, keine wirklichen Sicherheiten“, sagt die Wirtschaftsingenieurin – und erhält am Ende dennoch von der Deutschen Bank und mehreren Förderbanken die erforderlichen Mittel für den Kauf der Anteile. Anfang 2015 will dann auch der Vater ausscheiden. Tochter Lisa, die nicht das gesamte Unternehmen allein schultern mag, sucht einen Käufer für die Anteile des Vaters. Und findet ihn im Unternehmensberater Hanns Dobringer. Auch der hat keine Millionen auf der hohen Kante, um die Anteile zu kaufen: „Ich hab’ für den Kredit mit sechs Banken geredet“, sagt der studierte Maschinenbauer, „nur zwei waren überhaupt interessiert.“
Oft aber lauern in der Bilanz auch Fallen, die selbst die Chefs nicht sofort erkennen. Eines der häufigsten Risiken sind inzwischen die Pensionsrückstellungen für Gesellschafter oder Mitarbeiter. Und das läuft so: Die Unternehmen garantieren eine bestimmte Rente bei Erreichen der Altersgrenze. Dafür bilden sie über Jahrzehnte ergebnis- und steuermindernde Rückstellungen. Lange ging dies gut. Doch seit die Zinsen so niedrig sind, ist das Versprechen kaum noch einzulösen. Denn die Rückstellungen sind schlicht zu niedrig für die Verpflichtungen. „Neun von zehn Pensionszusagen sind inzwischen unterfinanziert“, berichtet der Vorsorgeexperte Maxim Hentsch von der Deutschen Bank im sächsischen Kamenz. Also müssten die Unternehmen eigentlich ihre Rückstellungen aufstocken – wenn sie es denn können. Und das Pensionsvolumen jährlich um zwei Prozent erhöhen, so will es das Gesetz. Zwar hat der Gesetzgeber im Februar dieses Jahres die Abzinsungsregeln zugunsten der Unternehmen gemildert, doch „alles in allem“, so der Berater, „tickt da eine Zeitbombe“. Mit mehr als 500 Milliarden Euro stehen deutsche Unternehmen bei ihren Mitarbeitern und Gesellschaftern inzwischen in der Kreide, und die Lücke zwischen Rückstellungen und tatsächlichen Verpflichtungen wird von Jahr zu Jahr größer. Es ist ein Thema von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, selbst namhafte Mittelständler hat das schon mit in die Krise gerissen. Und die Banken müssen bei jeder Kreditvergabe die mögliche Unterdeckung der Pensionszusagen mitberücksichtigen.
Es sollte dennoch klappen. Anfang 2016 wird Dobringer Mitgesellschafter der V.OX-TEC. Jetzt gehört Lisa Döll und ihm das Unternehmen. Der Kauf aller Anteile ist zu 100 Prozent auf Kredit finanziert – und besichert mit eher überschaubaren Werten. Freiwillig macht das keine Bank? Doch, macht sie: „Die Finanzierung von Anteilsübernahmen an Familienunternehmen“, sagt Thorsten Frahm von der Geschäftsleitung der Deutschen Bank in Hamburg, „gehört für uns zum Kerngeschäft.“
Denn Lisa Döll und Hanns Dobringer bringen Entscheidendes mit: Die Tochter arbeitet bereits seit Jahren im Betrieb, beide verbindet Unternehmergeist, Zähigkeit und fachliche Eignung. „Das muss man schon wirklich wollen“, sagt die Tochter, „denn wenn das hier schiefgeht, hafte ich mit meinem Privatvermögen.“ Wird es nicht: Das Geschäftsmodell ist bewährt, der Betrieb bleibt als Familienunternehmen erhalten. Mit Rückendeckung der LfA Förderbank Bayern und der KfW Bankengruppe konnte die Deutsche Bank so die benötigten Mittel zur Verfügung stellen. Leicht war’s dennoch nicht: Alle beteiligten Banken wollten eine Menge Papier und Tabellen, vom Businessplan über die Unternehmensbewertung bis zur privaten Liquiditätsplanung.
Lisa Döll ist Unternehmertochter, doch geschenkt bekam sie deshalb nichts. Sie musste sich die Übernahme des väterlichen Betriebs zum großen Teil sogar selbst erkaufen. Ein älterer Miteigentümer wollte aussteigen, und auch der Vater brauchte etwas Geld für seinen Ruhestand. Deshalb nahm sie noch einen Mitgesellschafter hinzu. Den beiden jungen Unternehmern haben die beteiligten Banken die Übernahme praktisch voll finanziert. Nicht nur, weil sie hoch qualifiziert und motiviert waren. Sondern auch, weil solche Betriebe in Familienhand bleiben sollen.
Doch schon zwei Wochen nach Einreichung aller benötigten Unterlagen war die Förderzusage da. „Der Staat lässt Existenzgründer nicht allein“, sagt Sabine Helmer, Regionsleiterin Öffentliche Förderung für Baden-Württemberg und Bayern der Deutschen Bank. Schließlich besteht ein hohes öffentliches Interesse, Familienunternehmen in Familienhand zu halten. Die gesamte Volkswirtschaft ist darauf angewiesen. Und so gibt es bei Übernahmefinanzierungen fast immer eine Form der öffentlichen Förderung, weiß Helmer. Es sind speziell auf solche Fälle zugeschnittene Förderdarlehen sowie ergänzend Garantien, Haftungsfreistellungen oder Bürgschaften, mit denen zumindest ein Teil des Kreditvolumens abgesichert werden kann.
Sehr oft stundet der Verkäufer dem Käufer per Darlehen zudem einen Teil des Kaufpreises, denn auch der Senior ist froh, wenn sein Betrieb in gute Hände kommt. Manche sprechen von einem regelrechten „Förderdschungel“, in dem sich Unternehmer leicht verlieren können. Die Bank führt deshalb von Anfang an Sondierungsgespräche mit den zuständigen Förderbanken auf Landes- und Bundesebene und begleitet die gesamte Antragstellung. Helmer: „Wir schnüren das passende Finanzierungspaket.“
Es ist kein Geschenkpaket, das bestätigt auch Deutsche Bank Finanzierungsexperte Thorsten Frahm. Schon die Übernahme eines kleineren Familienunternehmens stellt die Käufer vor hohe Herausforderungen. Und natürlich schauen die beteiligten privaten Banken und Förderinstitute genau hin, wem sie die benötigten Mittel zur Verfügung stellen. „Wir achten als Bank nicht nur auf Sicherheiten, sondern natürlich auch auf das Geschäftsmodell und den Cashflow. Davon hängt ab, welches Verhältnis aus Eigen- und Fremdkapital wir empfehlen“, so Frahm. Für fehlendes Eigenkapital vermittelt die Deutsche Bank Gelder des M-Cap-Finance-Mittelstandsfonds und von Beteiligungsgesellschaften der jeweiligen Bundesländer. Es sind eigentlich gerade sehr gute Zeiten für den Kauf eines Familienunternehmens. Das konjunkturelle Umfeld passt, die Zinsen sind historisch niedrig. „So eine Kombination“, sagt Frahm, „ist einmalig.“
Erfolgreicher Weg durch den Förderdschungel
Keine Ahnung von nichts und dann einen 30-Mann-Betrieb kaufen, das klingt ziemlich wagemutig. Doch Patrick Moll ist alles andere als ein Spieler. Der vormalige Fondsmanager wollte sich selbstständig machen und in die reale Wirtschaft. Er kaufte nach sorgfältiger Prüfung den Hamburger Metallverarbeiter Peter Schilling. Entscheidend war, dass er bei Schilling eine zuverlässige Mannschaft übernahm. Und dass er dafür kein Ingenieur sein musste, sondern sich schnell einarbeiten konnte. Sonst hätte das auch für Quereinsteiger Moll nicht so fix geklappt.
Einem wie Patrick Moll muss man das nicht erst erzählen. Der 35-jährige Fondsmanager arbeitete über ein Jahrzehnt für Fidelity Investments in London und verschiedenen Filialen weltweit. Doch irgendwann wollte Moll, der aus einer Unternehmerfamilie kommt, selbst unternehmerisch tätig werden. Zwei Jahre lang hat er sich rund 50 Unternehmen angesehen, mit vielen Banken und Beratern gesprochen. Dann kaufte er im Januar 2016 den Hamburger Bauzulieferer und Metallverarbeiter Peter Schilling. Dessen Gründer und Alleininhaber war inzwischen über 70 und ohne Nachfolger. Management-Buy-in heißt das, doch als komplett branchenfremder Quereinsteiger wirkt so ein Schritt erst mal ganz schön mutig. Moll hatte keine Scheu. Er wusste um die Qualität seiner Mitarbeiter und hatte zudem rund 80 Prozent des nötigen Wissens nach einem guten halben Jahr drauf. Denn: „Metallprofile sind ja keine Wissenschaft. Da kann man sich einarbeiten.“
Patrick Moll ist einer, der gut argumentieren und präsentieren kann. Und hatte so wenig Probleme, die millionenschwere Finanzierung für den 30-Mann-Betrieb innerhalb weniger Wochen zu organisieren. Rund 70 Prozent des Kaufpreises finanziert die Deutsche Bank über den „Gründerkredit Universell“ der KfW, etwa ein Drittel waren Eigenmittel. Was die Banker aber noch beeindruckte, war Molls Eigeninitiative: Vor Vertragsschluss machte er im August 2015 erst mal ein unbezahltes Praktikum – und lernte auf die Art den Laden perfekt von innen kennen. Für Patrick Moll stellten sich vor der Übernahme die gleichen Fragen wie für alle anderen potenziellen Kaufinteressenten auch: Passen Unternehmenswert, Kaufpreis, Cashflow-Stabilität, Verschuldungspotenzial? Was sind die steuerlichen Folgen? Moll konnte den Verkäufer für einen Asset Deal gewinnen, und das heißt, der Käufer zahlt letztlich nur für die tatsächlichen Werte, also für alles, was real vorhanden ist an Anlage- und Umlaufvermögen. Etwaige Altlasten oder Risiken blieben beim Verkäufer.
Auch der Dollar ist alles andere als berechenbar
Das Studium der eigenen Bilanz geht im Tagesgeschäft gern mal unter, erst recht, wenn es um eher statische Positionen geht
wie Pensionsrückstellungen. Doch vor rund zwei Jahren erkannte der Dresdner Immobilienexperte Uwe Schatz, dass in seiner Bilanz eine „kleine Bombe“ tickte: Würde er eines Tages an seinen Sohn Martin übergeben, wären die Pensionszusagen nur noch teilweise gedeckt. Schatz müsste
dann die Lücke wie auch immer schließen. Der Vater reagierte schnell – und lagerte die Pensionsansprüche an einen externen Fonds aus.
Sehr oft erben oder kaufen Nachfolger auch diese Lasten, der Experte für Geschäftskundenvorsorge Hentsch erlebt das immer wieder. Er hat aber auch erlebt, dass es anders und besser geht. Etwa bei Uwe Schatz, dem Gründer des sächsischen Immobilienvermittlers und Projektentwicklers DER IMMO TIP. Der gebürtige Dresdner hatte sich vor über 20 Jahren als Makler und Hausverwalter selbstständig gemacht und sich als unermüdlicher Netzwerker erfolgreich gegen die Großen der Branche durchgesetzt. Heute leitet Schatz eines der führenden Maklerunternehmen für Immobilieninvestment und Gewerbeimmobilien in Sachsen. Sohn Martin, der Wirtschaftsinformatik studiert hat und aktuell ein Studium der Immobilienwirtschaft belegt, wird zukünftig die Geschicke des Unternehmens in Händen halten – jedoch ohne Altlasten des Vaters. Denn Uwe Schatz hat vor Jahren mit dem eigenen Unternehmen einen Vertrag für seine Altersvorsorge geschlossen. Und merkte erst im Rahmen einer Bilanzprüfung, dass die in der Hochzinsphase zugesagte Rente längst nicht mehr bilanziell gedeckt war. Vater und Sohn überlegten gemeinsam, wie die immer größer werdende Lücke aus Pensionszusage und tatsächlich rückgestellten Mitteln zu schließen sei. Und entschieden sich für einen klaren Schnitt: Das Unternehmen füllte per Einmalzahlung die bislang entstandene Lücke auf und lagerte dann im Herbst 2015 alle Leistungspflichten komplett an einen externen Versorgungsträger aus. Ergebnis: Die Bilanz war vollständig von den Pensionsrückstellungen befreit, die Altersversorgung des Vaters gesichert. Die Rente zahlt nun der Deutsche Pensionsfonds, ein Joint Venture der Deutschen Bank und der Zurich Gruppe.
„Wahrscheinlich trifft dieses Problem jedes Unternehmen“, sagt der Vater heute und empfiehlt, das „wirklich ernst“ zu nehmen. Sein Rat: Am besten einmal jährlich nachrechnen, wie es um die bilanzielle Deckung der Pensionszusagen steht. Wäre aber alles weitergelaufen wie die Jahre zuvor, dann hätte der Sohn nicht nur das Unternehmen übernommen, sondern auch eine hohe Altlast. „Mein Sohn kann doch nichts für die niedrigen Zinsen“, sagt Vater Schatz, „doch er hätte dafür zahlen müssen. Und das hab’ ich nicht gewollt.“ So einen Vater wünscht man sich. Und Patrick Moll, der Banker, der zum Unternehmer wurde? Der hat nach knapp einem Jahr schon wieder Lust auf mehr. In nur fünf Jahren will er alle Kredite zurückgezahlt haben, und wenn es so läuft wie geplant, dann wird der Hamburger Metallbauer nicht seine einzige Übernahme gewesen sein. Sondern seine erste.
Weitere Informationen
Kontakt bei Fragen zur Auslagerung von Pensionsverpflichtungen: team.firmenkunden@db.com
Kontakt Nachfolgerberatung: Thorsten Frahm, E-Mail thorsten.frahm@db.com
Infos zu Fördermitteln: www.deutsche-bank.de/oeffentliche-foerdermittel
results. Das Unternehmer-Magazin der Deutschen Bank 3-2016