Nachfolgegründung: Gewinner auf allen Seiten?

Lässt sich die Nachfolge nicht familienintern regeln, kann der Verkauf an einen Manager, den Nachfolgegründer, die Lösung sein. Damit das Modell die Nische verlassen kann, braucht es größere Bekanntheit – und das nötige Kleingeld.

Japan kämpft noch mehr mit der Nachfolgelücke als Deutschland – und setzt schon länger Search Fund-Strukturen ein, um junge Manager von der Übernahme eines „grauen“ Unternehmens zu überzeugen. Foto: Yuri Arcurs / Alamy Stock Photo

38.000 Unternehmensnachfolgen erwartet das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn 2025 in deutschen Familienunternehmen. Die Nachfolgewelle rollt – und längst nicht alle können ihr Lebenswerk familienintern weitergeben. Alternativen sind der Verkauf an Finanzinvestoren oder Strategen. Mit diesen Optionen fremdeln viele Unternehmer: Private-Equity-Gesellschaften erscheinen zu renditegetrieben, der Stratege ist meist auch der Wettbewerber – beiden trauen sie nur bedingt zu, die Firma im Sinne der eigenen Werte langfristig weiterzuführen.

Umso attraktiver wirkt der Weg der Nachfolgegründung: Ein motivierter Manager will unternehmerisch tätig werden und übernimmt Eigentümerschaft und Geschäftsführung – idealerweise inklusive der Werte und Zukunftsausrichtung des Übergebenden. „Das Modell der Nachfolgegründung ist langfristig ausgelegt, erklärt Prof. Dr. Christina Hoon, die an der Universität Bielefeld die Stiftungsprofessur „BWL, insb. Führung von Familienunternehmen“ hält. „Den Überlassenden und seinen Nachfolger eint die Motivation, das Unternehmen im Sinne eines Familienbetriebs weiterzuführen.“

Klingt wie eine Win-Win-Situation: Hier der Geschäftsführer, der sein Lebenswerk in gute Hände abgibt, dort der Manager, der mit der Übernahme den Schritt ins Unternehmertum schafft. Trotzdem fristet die Nachfolgegründung in Deutschland ein Nischendasein. Warum eigentlich – und wie lässt sich das ändern?

„Das Modell der Nachfolgegründung ist langfristig ausgelegt. Den Überlassenden und seinen Nachfolger eint die Motivation, das Unternehmen im Sinne eines Familienbetriebs weiterzuführen.“

Prof. Dr. Christina Hoon, Universität Bielefeld

Zunächst einmal mangelt es dem Modell noch an Bekanntheit. Die Nachfolgegründung ist hierzulande kein Ansatz, den Familienunternehmer automatisch mitdenken, wenn sie den Verkauf planen. Sie haben diese Option oft gar nicht auf dem Schirm. Auch potenzielle Nachfolgegründer werden nicht gezielt an das Thema herangeführt – es fehlen entsprechende Module im Studium.

Diesem Problem lässt sich begegnen. Martin Wilde, der das mittelständische Firmenkundengeschäft im Marktgebiet Ostwestfalen bei der Deutschen Bank leitet, setzt dafür auf unternehmerische Netzwerke: „In unserer Region mit ihren vielen Familienunternehmen gibt es zahlreiche branchenorientierte Plattformen, die als Basis für mehr Austausch zum Thema dienen können.“ Auch Initiativen wie der Stiftungslehrstuhl an der Universität Bielefeld oder das Entrepreneurship Center an der WHU in Vallendar bei Koblenz können dem Ökosystem dienen und den Weg für mehr Nachfolgegründungen ebnen.

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Doch damit aus der Nische eine im Verkaufsprozess automatisch mitbedachte Option werden kann, müsste ein weiteres, entscheidendes Hindernis im Zusammenhang mit der Nachfolgegründung überwunden werden: das liebe Geld, genauer gesagt der Mangel daran.

Die Übernahme eines etablierten Familienunternehmens mit Mitarbeitern und Produktionsstätten, wiederkehrenden Umsätzen, solidem Kundenstamm und eingespielten Prozessen können die wenigsten aus eigener Tasche stemmen. Kreditinstitute sind – sofern ausreichend Eigenkapital vorhanden ist – vielleicht noch bereit, den Kaufpreis zu finanzieren. Allein, damit ist es nicht getan. Schon die Suche nach einem passenden Familienunternehmen ist, will der Nachfolgegründer es richtig machen, ein Vollzeitjob und kann Monate, mitunter Jahre, dauern. Und auch nach dem Kauf braucht der neue Eigentümer ausreichend finanzielle Mittel für Innovation und Veränderung.

„In unserer Region mit ihren vielen Familienunternehmen gibt es zahlreiche branchenorientierte Plattformen, die als Basis für mehr Austausch zum Thema dienen können.“

Martin Wilde, Deutsche Bank

Banken blicken durchaus wohlwollend auf Nachfolgegründungen, weil die Firmen aufgrund der Zahlenhistorie noch immer deutlich besser einzuschätzen sind als Neugründungen. Den gesamten Prozess zu finanzieren, ist für die Institute dennoch schwierig. Martin Wilde von der Deutschen Bank sieht daher auch die Politik in der Pflicht, die Finanzierungssituation bei Nachfolgegründungen zu verbessern: „Der Staat sollte das größte Interesse daran haben, dass es im Mittelstand weitergeht. Gelingt die Nachfolge nicht, müssen Betriebe schlimmstenfalls liquidiert werden. Das kann nicht im Sinne der Volkswirtschaft sein.“ Der Experte denkt an Zuschüsse, Fördermöglichkeiten oder Steuererleichterungen – blickt aber zeitgleich in Richtung Nordamerika, wo ein von Fördermitteln unabhängiges Finanzierungsmodell erfolgreich ist: In den USA sind schon vor 40 Jahren so genannte Search Funds entstanden. Über diese können motivierte Manager das nötige Kapital von Investoren einsammeln. „Im angelsächsischen Raum wurden solche Vehikel zuerst von Absolventen der Business Schools aufgesetzt und genutzt“, berichtet Christina Hoon. Allein für den kleineren Mittelstand („lower middle market“) listet die Branchenplattform Axial in den USA über 700 Search Funds auf.

Ganz anders (noch) hierzulande. Doch es tut sich etwas: Christian Gieger ist als Partner bei Tembo Search Partners einer der wenigen Anbieter im deutschen Markt. Sein Unternehmen versteht sich als aktiver Partner und Investor für Nachfolgegründungen. Und er erwartet, dass das Thema weiter Fahrt aufnimmt – und damit auch das Konzept von Entreupreneurship through Acquisition (ETA) und Search Funds.

Wie das Konzept „Search Fund“ funktioniert:

Tembo Search Partners (TSP) kooperiert mit ausgewählten Nachfolgegründern, indem sie die Kosten der Suche übernehmen und zusammen mit Investoren das Eigenkapital für die Akquisition stemmen. Für die etwa zweijährige Suchphase, in der ein Nachfolgegründer den Markt nach einem passenden Unternehmen abtastet, braucht es rund 500.000 Euro. In einem solchen Search-Fund-Konzept übernimmt der Nachfolgegründer bis zu 20 Prozent der Unternehmensanteile, die Investoren halten den Rest. ETA-Anbieter wie TSP verlangen für ihre Dienste eine Success Fee bei erfolgreicher Akquisition und beanspruchen außerdem bis zu 10 Prozent der Anteile. Dafür unterstützen sie ihre „Searcher“ auch mit Infrastruktur und Best Practices – vom Optimieren des Suchvorgangs über Datenbanken bis hin zur Strukturierung, Bewertung und Due Diligence Koordination während der Transaktion. Fünf bis sieben Jahre bleiben die Investoren an Bord, bis die Anteile weiterverkauft werden. In den meisten Fällen verbleibt der Searcher auch nach dem Ausscheiden der Investoren im Unternehmen und schafft so sein eigenes Lebenswerk.

Grafik: Der Lebenszyklus der Suchfonds. Quelle: Stanford Graduate School of Business

„In den vergangenen Jahren hatten Manager oder Absolventen, die unternehmerisch tätig sein wollten, verschiedenste Optionen – von der eigenen Gründung bis zur Karriere bei Private-Equity-Häusern.“ Mit der sich eintrübenden Wirtschaftslage verschiebe sich der Fokus jetzt – und die Attraktivität eines gut laufenden Familienbetriebs als Vehikel für die eigene unternehmerische Tätigkeit steige.

Grafik: Erwirtschaftetes Kapital des Nachfolgegründers. Quelle: Stanford Graduate School of Business

Auf den ersten Blick widersprechen die Ergebnisse einer Erhebung des IfM Bonn aus dem Jahr 2023 dieser These. Laut der Studie kommt eine Nachfolgegründung nur für knapp ein Viertel der Gründer in Betracht. Allerdings gibt der Großteil von 82 Prozent an, durchaus über die Option nachgedacht zu haben. Letztlich scheiterten die Überlegungen meist an Hürden wie dem Finanzierungsproblem. Das Interesse ist also durchaus da. Das bestätigt auch das Engagement von Lisa Stuhler in diesem Bereich. Sie bemüht sich mit ihrem Vehikel Tilia Nachfolgekapital um die Nachfolgegründung. „Die Unternehmensnachfolge ist ein komplexes und oft ungelöstes Problem für viele mittelständische Unternehmen in Deutschland. Eine reibungslose Übergabe ist entscheidend, aber nicht immer einfach zu realisieren“, erklärt Stuhler. „Ich möchte ein Unternehmen finden und eine nachhaltige Lösung bieten“, führt sie weiter aus und betont den Anspruch, das übernommene Unternehmen „langfristig erfolgreich weiterentwickeln“ zu wollen – in enger Zusammenarbeit mit Eigentümern und einem werteorientierten Ansatz.

Konzentriert man sich einerseits auf das bestehende Interesse junger potenzieller Unternehmer und andererseits auf das Überangebot an vor einer Nachfolge stehenden Familienunternehmen, erscheint eine Zunahme von Nachfolgegründungen durchaus logisch.

Damit es tatsächlich dazu kommt, muss das Modell über Best Practices, Schulungen und etablierte Netzwerke bekannter werden, sowohl bei Gründern als auch bei Familienunternehmern – und vor allem bei Investoren. Denn letztlich hängt es am Geld: Search-Fund-Konzepte funktionieren, das beweisen die USA: Zeit für hiesige Business Angels und andere Finanzinvestoren, diese Vehikel mitzudenken. Wenn dann noch die Politik über Fördermittel Anreize schafft, haben bald einige der 38.000 zu übergebenden Familienunternehmen einen Nachfolger gefunden.

02/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.

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