Die Auswahl an Rechtsformen ist in Deutschland mehr als reichlich. Jede hat ihren Zweck und ihre Daseinsberechtigung, und jede hat ihre Geschichte – wir erzählen sie.
Die auf die Ausbeutung der Kolonien gerichteten Überseegesellschaften waren die Keimzelle der börsennotierten Unternehmensbeteiligung: der Aktiengesellschaft. Hier stehen nicht der Unternehmer und seine beschränkte Haftung im Mittelpunkt, sondern das Einsammeln von Kapital im Gegenzug für Anteile an einem Unternehmen. Plus die Möglichkeit, diese Anteile – möglichst gewinnbringend – über eine Börse an jemand anders zu verkaufen. Nicht die Engländer waren die Erfinder (auch wenn sie die Idee begierig aufgriffen und schon bald den wichtigsten Finanzplatz der Welt schufen): Die niederländische Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) begab 1602 erstmals Aktien, mit denen die Investoren eine Verzinsung plus Gewinnbeteiligung, aber keine Mitspracherechte erhielten – nach heutiger Lesart eher Mezzanine. Auch in Deutschland war die erste Aktiengesellschaft eine Überseegesellschaft, nämlich die 1682 gegründete „Handelscompagnie auf denen Küsten von Guinea“. Allerdings war für die AG bis ins 19. Jahrhundert ein gemeinnütziger Verbandszweck vorgesehen – erst das preußische „Gesetz über die Aktiengesellschaften“ von 1843 schuf die Grundlage für eine Nutzung durch Industrieunternehmen und Banken.
Manchmal kommt es darauf an, einen einzigen Buchstaben besonders deutlich zu schreiben: Bei der mittelalterlichen Kommanditgesellschaft haftete der commendatorius nur mit seinem Kapital, der commendatarius dagegen mit seinem Vermögen. Ein zur See fahrender Händler erhielt von sesshaften Kollegen Waren mit dem Auftrag, sie in der Ferne zu veräußern. Dafür wurde er mit Gewinnbeteiligung oder Honorar entlohnt, das Verlustrisiko trugen die Auftraggeber. Auch im modernen Unternehmerleben hat sich die KG bewährt: Die Kommanditisten bringen Kapital, der Komplementär bleibt Herr im eigenen Haus. Der Nachteil für den Unternehmer ist die unbeschränkte Haftung. Aber auch das haben die Berater in den Griff bekommen und ein einzigartig deutsches Konstrukt ersonnen: die GmbH & Co. KG.
Unternehmertum war lange Zeit ein Ritt auf der Rasierklinge. Ging es gut, winkten Reichtümer. Ging es schief, standen die Gläubiger Schlange, dem Hasardeur blieb kaum mehr als das Hemd am Leib. Oder noch schlimmer: In Deutschland waren bis ins 19. Jahrhundert Schuldgefängnisse weit verbreitet. Und das war schon eine deutliche Verbesserung gegenüber der seit der Antike verbreiteten Schuldknechtschaft, durch die säumige Zahler in ein der Sklaverei nicht unähnliches Abhängigkeitsverhältnis geraten konnten. Auch die berühmte britische East India Company setzte die Schuldknechtschaft ein. Für ihre Gesellschafter allerdings schuf sie ein Privileg, das sonst nur der Krone zustand: Die Haftung für Verpflichtungen griff allein auf Unternehmens-, nicht auf Gesellschafterebene. Das blieb zunächst ein Einzelfall, der in England erst 1855 per Gesetz für alle Unternehmer zu einer Option wurde. Die Limited Company war eine gewaltige Innovation, die im deutschen GmbH-Recht von 1892 ihre Entsprechung fand. Endlich konnten Unternehmer Risiken eingehen, ohne ihre gesamte Existenz aufs Spiel zu setzen.
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Aus den mittelalterlichen, vom Handel getriebenen Unternehmungen auf Zeit entstand auch die Partnerschaft, die sich heute noch in den freien Berufen wiederfindet. Anders als in der Kommanditgesellschaft schließen sich hier aber Partner mit gleichen Rechten zusammen – und mit dem gleichen Risiko: Jeder steht für die Schulden des anderen ein. Das kann durchaus hässlich werden, zumal niemand die Handlungen seiner Partner so gut zu kontrollieren vermag, dass er jegliches Risiko ausschließen kann.
Trotzdem war die Partnerschaft bei Anwälten, Steuerberatern und Architekten immer schon sehr beliebt, weil sie jedem Mitsprache und viele Freiheiten gewährt. Rechtlich war die Partnerschaft allerdings eine GbR. Erst das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz von 1995 schuf eine eigene Rechtsform, die auch das Kernproblem löste: Nur die Partnerschaft und die direkt involvierten Partner haften unbegrenzt für Schäden. Und sogar eine Haftungsbeschränkung bis zu der Versicherungssumme der Berufshaftpflichtversicherung ist mittlerweile erlaubt.
Kaum zu glauben: Am Anfang der genossenschaftlichen Idee stand ein überaus erfolgreicher Unternehmer. Robert Owen hatte 1799 in seiner schottischen Textilfabrik die Arbeitszeit auf zehneinhalb Stunden gesenkt, Kranken- und Altersrentenversicherungen eingeführt und sogar Behausungen für seine -Arbeiter gebaut. Die Produktivität war so gewaltig, dass Politiker aus ganz Europa aufmerksam wurden. Eine Genossenschaft war das zwar noch nicht, aber Owen hatte Blut geleckt: Ab 1825 versuchte er, in den USA eine Genossenschaft als utopisches Lebenskonzept aufzubauen – und scheiterte krachend.
Doch die Idee fand Nachahmer, auch in Deutschland: Fast zeitgleich gründeten in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum einen Friedrich Wilhelm Raiffeisen eine Kreditgenossenschaft und Hermann Schulze-Delitzsch eine Einkaufsgenossenschaft für Tischler und Schuhmacher, aus der ebenfalls eine Kreditgenossenschaft entstand. Neben dem Wohnungsbau und der Landwirtschaft sind das bis heute die dominierenden genossenschaftlichen Sektoren. Echtes Unternehmertum entfaltet sich in dieser Struktur aber offenbar kaum.
01/2024
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