Außergerichtliche Sanierungen bekommen mit dem StaRUG jetzt einen Rechtsrahmen. Das Gesetz ist gut gemacht – und dürfte bald vielen Mittelständlern nützen.
Wenn Juristen Respekt bekunden, ist Vorsicht angebracht – oft genug folgt dem Lob der wohlgesetzte Nadelstich. Kritik am Gesetzgeber gehört außerdem fast schon zur Standesehre. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur präventiven Sanierung allerdings erhält von Fachleuten nur gute Noten.
Das Gesetz mit dem Kürzel StaRUG gilt als sorgfältig ausgearbeiteter großer Wurf. Und als dringend notwendig. Zwar ist die große Corona-Pleitewelle bislang ausgeblieben, doch der Härtetest steht vielen Unternehmen erst noch bevor. Das Timing ist ideal, denn der präventive Restrukturierungsrahmen adressiert ein echtes Problem. „Wenn wir in das Unternehmen kommen, ist es oft schon fünf nach zwölf, und wir müssen mit geeigneten Sofortmaßnahmen erst die drohende Insolvenz abwehren“, sagt Johann Stohner von der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal. Der Sanierer hat schon bei zahlreichen Unternehmen als Chief Restructuring Officer die Aufgabe übernommen, das Ruder noch herumzureißen.
Die Herausforderung, mit der sich Stohner und andere Restrukturierungsberater herumschlagen müssen: Die Unternehmen kommen fast immer zu spät, und die Verhandlungen mit Banken, Kunden und Lieferanten sind Stückwerk.
„Unternehmen in Schieflage werden hoffentlich früher als bislang professionelle Hilfe holen.“
Franz Bernhard Herding, Partner bei Allen & Overy
Der größte Stolperstein in der Sanierung sind die Gläubigergespräche. Wenn Unternehmen in Schieflage geraten, bilden die Banken einen Pool, um mit einer Stimme zu sprechen. Bankenpools sind, wie schon eine Studie des Center for Financial Studies für die Neunzigerjahre herausfand, ziemlich gut darin, eine vorzeitige Kündigung durch Banken und das Trittbrettfahren einzelner Kreditgeber zu verhindern. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Gläubigerbeschlüsse einstimmig gefasst werden müssen. Oft wollen Quertreiber schlicht herausgekauft werden und sorgen damit für Spannung, manchmal sogar für das Scheitern einer Sanierung.
Damit räumt der Restrukturierungsrahmen auf. Widerspenstige Geldgeber können künftig überstimmt werden. Eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe (beispielsweise absonderungsberechtigte, nachrangige oder am Unternehmen beteiligte Gläubiger) reicht aus, um Maßnahmen zu beschließen. „Restrukturierungsgespräche können durch Mehrheitsbeschluss enorm erleichtert werden“, glaubt Robin Hardt, Finanzierungsberater bei Herter & Co. Aber auch wenn das Heft des Handelns im neuen Regime beim Unternehmen liegt: „An der Notwendigkeit, die Geldgeber frühzeitig und vertrauensvoll einzubeziehen, ändert sich nichts.“
Heimlich in den Restrukturierungsrahmen zu schlüpfen ist ohnehin nicht möglich. Voraussetzung ist zunächst eine drohende Zahlungsunfähigkeit innerhalb der nächsten zwei Jahre. Dafür gibt es zwar Interpretationsspielraum, aber ohne Vorarbeit geht gar nichts. Außerdem muss das Unternehmen einen Restrukturierungsplan aufstellen und nachweisen, dass bereits Sanierungsverhandlungen mit den Gläubigern geführt wurden.
Anders als bei der Insolvenz muss aber außer den Verhandlungspartnern nicht gleich die ganze Welt erfahren, dass Not am Mann ist. Der Schuldner kann sich für ein nicht öffentliches Verfahren entscheiden. Das modulartig aufgebaute Verfahren erlaubt weitere Wahlmöglichkeiten. Der Schuldner kann zum Beispiel einen Restrukturierungsbeauftragten hinzuziehen (hier wird man vermutlich viele bekannte Namen von Juristen aus der Insolvenzszene finden, vielleicht aber auch die Berater für das Sanierungsgutachten nach IDW S6). Der Schuldner darf auch laufende Verträge vom Restrukturierungsgericht beenden lassen – ein probates Mittel, um Vermieter oder Leasinggeber ebenfalls zu Zugeständnissen zu bewegen.
Apropos Gericht: Auch hier packt die neue Regelung ein Problem an. Die Sanierung von Mittelständlern ist in den vergangenen 20 Jahren dank zahlreicher Spezialisten zwar teurer und aufwendiger, aber auch immer professioneller geworden – nur an einer Stelle nicht. Niemand sagt es laut, doch hinter vorgehaltener Hand mokieren sich viele Restrukturierer, dass den Gerichten mangels Spezialisierung oft die Kompetenz fehlt. Das soll sich ändern: In jedem OLG-Bezirk wird es künftig nur ein einziges Restrukturierungsgericht geben (bleiben immerhin 24, aber das ist doch eine klare Konzentration im Vergleich zu den knapp 200 Insolvenzgerichten). Damit soll auch in der Judikative das notwendige Fachwissen aufgebaut werden.
Mittelständler in Schwierigkeiten werden von dem neuen Restrukturierungsrahmen profitieren. Auch die Banken dürften das neue Regime zu schätzen lernen, selbst wenn sie das ein oder andere Mal überstimmt werden sollten. „Im besten Falle erreicht das StaRUG zwei übergeordnete Ziele“, sagt Franz Bernhard Herding, Restrukturierungsexperte bei der Kanzlei Allen & Overy. „Zum einen wird die vorinsolvenzliche Sanierung durch den klugen Einsatz des Instrumentenkastens reibungsloser ablaufen und häufiger gelingen. Zum anderen werden die Unternehmen hoffentlich früher als bislang professionelle Hilfe holen, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Sanierungserfolgs ebenfalls steigt.“ Der Praxistest wird nicht lange auf sich warten lassen – es liegt jetzt an den Unternehmern, die neuen Möglichkeiten für sich zu nutzen.
01/2021
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