Wenn die Wirtschaft schwächelt, leiden auch die Finanzierer. Müssen wir uns Sorgen um unsere Banken machen? Die Deutsche Bundesbank zeigt sich in ihrem Stabilitäts-Report 2024 zuversichtlich.
Wer hätte gedacht, dass ein Fachbegriff aus dem Banking mal das „Wort des Jahres“ werden könnte? Die Finanzkrise und ihre Aufarbeitung haben es möglich gemacht: „Stresstest“ wurde im Jahr 2011 zum Gewinner gekürt. Foto: picture alliance / dpa
Als die Welt nach den Worten des damaligen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück im Herbst 2008 in den Abgrund schaute, waren dafür Exzesse im Finanzsystem ursächlich. Die Verwerfungen griffen massiv auf die Realwirtschaft über, die Auswirkungen der konzertierten Rettungsaktionen beschäftigen uns bis heute. In der Aufarbeitung der Krise identifizierte man als große Schwachstelle die zu geringe Regulierung des Bankensektors. Und ging mit Feuereifer daran, für die Zukunft Sorge zu tragen, dass von der Finanzwirtschaft keine Gefahr mehr für die gesamte Volkswirtschaft ausgehen solle.
„Die deutschen Banken haben die Zinsanstiegsphase insgesamt gut verkraftet und zeigen sich stabil.“
Deutsche Bundesbank
Aktuell allerdings droht eher die umgekehrte Ansteckung: Probleme in der Realwirtschaft spiegeln sich nämlich mit einer gewissen Verzögerung in den Bilanzen der Banken, über die Kapitalmärkte manchmal aber sogar schon vorauseilend im Finanzsystem. Teil der Regulierung ist aber auch, genau das im Blick zu haben: „Das Finanzsystem sollte einen gesamtwirtschaftlichen Abschwung weder verursachen noch übermäßig verstärken. Deshalb ist eine angemessene Resilienz des Finanzsystems notwendig, also die Fähigkeit, unerwartete, abrupte Veränderungen abzufedern und nicht zu verstärken.“ So schreibt es die Deutsche Bundesbank in ihrem „Finanzstabilitätsbericht 2024“, der Aufschluss über die Gesundheit des deutschen Bankwesens gibt.
Grundsätzlich zeigt der Daumen der Zentralbanker klar nach oben: „Die deutschen Banken haben die Zinsanstiegsphase insgesamt gut verkraftet und zeigen sich stabil.“ Das ist keine Selbstverständlichkeit, schließlich stellte der stärkste Zinsanstieg der vergangenen 25 Jahre nicht nur die Realwirtschaft, sondern auch die Banken vor große Herausforderungen. Die Bundesbank verweist darauf, dass sich durch die lange Phase extrem niedriger Zinsen seit Ende der globalen Finanzkrise im deutschen Finanzsystem eine erhebliche Verwundbarkeit aufgebaut und das Finanzsystem anfällig für verschiedene Schocks gemacht habe.
Die zwar nicht wachstumsstarke, aber sehr stabile wirtschaftliche Entwicklung bei niedrigen Finanzierungskosten machte es den Banken in den Augen der Währungshüter nicht leicht, wachsam zu bleiben: „Die gute Wirtschaftsentwicklung und die stetig gesunkenen Kreditausfälle hatten die Einschätzung der mittelfristigen Kreditrisiken immer schwieriger gestaltet und eine Unterschätzung der Risiken wahrscheinlicher gemacht.“ Tatsächlich war die Risikovorsorge immer weiter gesunken, obwohl die Qualität der finanzierten Assets immer zweifelhafter wurde: „Es kam zu Überbewertungen an den Märkten für Vermögenswerte, etwa bei Wohnimmobilien, womit die Kreditsicherheiten ebenfalls überwertet wären.“
In Deutschland teilen sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank die Beaufsichtigung der Banken. Banken mit einer Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro werden als bedeutende Institute unterstützt von BaFin und Bundesbank direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt. Als unabhängige EU-Behörde soll außerdem die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten ein wirksames und stimmiges Maß an Regulierung und Beaufsichtigung im europäischen Bankensektor gewährleisten.
Doch die Banken haben den Lackmustest bestanden. Auch weil die Zinsen auf täglich fällige Einlagen erstaunlich niedrig blieben, konnten die Banken seit der Zinserhöhung gut verdienen, wodurch ihre Resilienz gestärkt wurde. Auch die Ansteckungsgefahren durch die Verflechtung mit Nichtbank-Finanzintermediären (NBFI) hält die Bundesbank für überschaubar, auch wenn die Bedeutung dieser Gruppe in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist: „Deutsche NBFI, also Fonds, Versicherer und Pensionseinrichtungen sowie sonstige Finanzinstitute, halten rund 40% der finanziellen Aktiva des deutschen Finanzsystems.“
Trotz des in Summe positiven Zeugnisses für die deutschen Banken gibt es Grund zur Vorsicht: Das schwache Wachstum der Realwirtschaft, das nicht nur konjunkturelle, sondern auch strukturelle Ursachen hat, zeige deutliche Rückwirkungen auf das Bankensystem. Das zeigt sich vor allem im Immobiliengeschäft, aber auch in einigen anderen Branchen. „Für die Banken ziehen einige dunkle Wolken auf. Wir befinden uns in turbulenten Zeiten“, sagt Bundesbank-Vorstand Michael Theurer in einem Interview mit dem Handelsblatt. Allerdings verweist er in einem weiteren Interview mit der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen auf den positiv verlaufenen Stresstest für kleine und mittelgroße Kreditinstitute, die in einem simulierten Jahrhundertkrisenszenario mit einem harten wirtschaftlichen Abschwung nur 3,7 Prozentpunkte ihrer harten Kernkapitalquote verlieren und mit 14,5% noch immer auf einem hohen Niveau verharren würden.
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Mehr Vorsicht im Bankensystem wird aller Voraussicht nach nicht zu Lasten der Kunden gehen.
Allerdings: Im selben Interview betont Theurer auch die Notwendigkeit für die Banken, frühzeitig und adäquat Risikovorsorge zu bilden. Das scheint auch notwendig angesichts der stetig steigenden Quote Not leidender Kredite (NPL) im Portfolio der deutschen Banken, die im dritten Quartal 2024 bei 1,74% lag – nach 1,39% ein Jahr und nur 1,03% drei Jahre zuvor. Doch der scheinbar rasante Anstieg relativiert sich im historischen und im Ländervergleich: Vor acht Jahren lag die NPL-Quote in Deutschland bei 2,44%, und exakt so hoch ist sie aktuell in Frankreich, Spanien kommt sogar auf 3,17%. Auch die Wertberichtigungsquote ist zwar innerhalb von zwei Jahren von 0,1% auf über 0,4% gestiegen – auch das ist aber immer noch ein niedriger Wert, vor 20 Jahren betrug die Wertberichtigungsquote über 1,2%.
Was heißt das für die Bankenaufsicht? Nur Grund zur Aufmerksamkeit, aber kein Grund zur Besorgnis. Zumal die gute Nachricht lautet, dass mehr Vorsicht im Bankensystem aller Voraussicht nach nicht zu Lasten der Kunden gehen wird, zumindest nicht auf volkswirtschaftlicher Ebene. Bundesbank-Vorstand Theurer konstatiert zwar restriktivere Kreditvergabestandards der Banken, sieht darin aber kein Alarmsignal für die Realwirtschaft: „Aufgrund der uns vorliegenden Daten gehen wir derzeit nicht davon aus, dass eine Kreditklemme droht.“
01/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.