Solides Working Capital Management und Offenheit gegenüber dem Verkauf von Forderungen helfen, den Betrieb krisenfest aufzustellen und bei Bedarf schnell Liquidität zu generieren.
Für Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells, für Wachstum und Innovation, brauchen Unternehmen neben schlauen Köpfen und guten Ideen vor allem eines – Geld. Kapital muss mitunter zügig verfügbar sein, um schnell Chancen nutzen zu können. Das war in den vergangenen Jahren für viele Unternehmen kein Problem: Kredit war reichlich und fast zum Nulltarif verfügbar. Doch die Zeiten haben sich mit der Zinswende und der größeren Vorsicht der Kreditgeber geändert.
Darum rückt ein Instrument wieder in den Fokus, das einige Unternehmen ein wenig vernachlässigt haben: das Working Capital Management. Ziel ist es, durch gezielte Maßnahmen die Kapitalbindung zu reduzieren und damit Liquidität zu generieren. Das Unternehmen kann dadurch entscheidende Investitionen tätigen und durch unternehmerisches Handeln die Verhandlungen mit externen Geldgebern beschleunigen und vereinfachen.
Im Lagerbestand ist da aktuell oft wenig zu holen: Viele Unternehmen sind im Gegenteil dazu übergegangen, ihre Bestände eher wieder etwas großzügiger zu planen, um immer lieferfähig zu bleiben. Bei den Verbindlichkeiten zeigen die Statistiken der Kreditversicherer, dass die Unternehmen ihre Zahlungsziele aktuell weiter ausdehnen. Das bedeutet umgekehrt, dass viele Lieferanten ihr Geld erst später erhalten – und auch die Risiken von Zahlungsausfällen steigen. Hier liegen die wesentlichen Hebel für sogenannte Trade-Finance-Lösungen – Finanzinstrumente und Dienstleistungen, die Unternehmen helfen, Forderungen in Liquidität zu verwandeln und abzusichern. Beliebte Trade-Finance-Lösungen sind Factoring, Forfaitierung oder Asset Backed Securities (ABS)-Programme.
Die STADA Arzneimittel AG, ein Hersteller von Arzneimitteln, setzt auf Factoring als Bestandteil der eigenen Finanzierungsstrategie. Frank Seiler, Head of Group Treasury bei STADA, erläutert: „Durch Factoring reduzieren wir die Forderungslaufzeit und verbessern unser Working Capital – wir arbeiten seit Jahren mit diesem Finanzierungsbaustein.“ Factoring ist die beliebteste Lösung, um Forderungen rasch in Liquidität umzuwandeln. Seiler: „Gut gemachtes Factoring schafft durch Automatisierung Kapazitäten im Credit Management. An unserem Beispiel lässt sich das ablesen: Die Schnittstelle zu unserem Factorer ermöglicht ein automatisiertes Abwickeln der Prozesse. Tausende Forderungen werden automatisch erfasst, selektiert und anschließend elektronisch an den Factorer gesendet. Das Treasury-Team erhält im Anschluss eine Bestätigungs-E-Mail der übertragenen Forderungen.
„Durch Factoring reduzieren wir die Forderungslaufzeit und verbessern unser Working Capital.“
Frank Seiler, Stada
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Hinter dem Begriff Factoring verbirgt sich folgender Prozess: Das Unternehmen verkauft Forderungen aus Lieferungen und Dienstleistungen an einen Factoring-Anbieter. Das können eigenständige Factoring-Gesellschaften oder entsprechende Einheiten einer Bank sein. Die Deutsche Bank beispielsweise bündelt ihre Factoring-Angebote in der Tochtergesellschaft PB Factoring GmbH, mit der auch STADA zusammenarbeitet. Der Factorer stellt sofort Liquidität bereit und geht damit in Vorleistung, bis der Schuldner die Forderungen begleicht. Er trägt das gesamte Ausfallrisiko. Auf Wunsch übernimmt der Factorer zudem das Forderungs-Management. Bei STADA ist das Factoring in mehreren Vertriebsgesellschaften organisiert. Die Abwicklung der verkauften Forderungen liegt in der Verantwortung des Credit Managements. Seiler: „Wir übernehmen das Forderungs-Management inklusive Mahnwesen und Inkasso.“
Der Factoring-Anbieter erhält für seine Dienste eine Vergütung, die sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt. Im Regelfall fällt eine Factoring-Gebühr an, außerdem Zinsen und Debitorenprüfkosten sowie Delkrederegebühren (Versicherung gegen Uneinbringlichkeit der Forderungen). Die Höhe der Kosten orientiert sich an Unternehmenskennzahlen wie dem vorfinanzierten Jahresumsatz, der Kunden- und Rechnungsanzahl sowie der eigenen Bonität. Auch die Branche, in der das Unternehmen tätig ist, wirkt sich auf die Factoring-Gebühren aus.
Regelmäßig bekommt die Firma Besuch eines Auditors, der Stichproben nimmt und Factoring-Vorgänge analysiert. Bei STADA ist dieser Prüfer durchaus gern gesehen. „Es ist gut, einem externen Partner die tägliche Arbeit vorzulegen und dessen Blick darauf zu verstehen – wir können zeigen, wie erfolgreich wir diese Strategie umsetzen.“
Seiler betont, dass gelungenes Factoring gut vorbereitet sein muss und nur mit einem individuell passenden Partner gelingt: „Bei der Auswahl des Factorers zählt der Preis – aber eben nicht allein. Es geht auch um Service und Qualität sowie den Umgang miteinander.“ Erfolge für beide Seiten hängen außerdem davon ab, wie gut das Credit Management des Unternehmens aufgestellt ist. Ein Verständnis für die Risiken der Forderungen, ein effizientes FSCM-Kreditmanagement ist laut Seiler unabdingbar.
Forfaitierung funktioniert ähnlich wie Factoring. Auch hier werden ausstehende Forderungen eines Unternehmens an Dritte verkauft. Aber: Bei der Forfaitierung sind die Summen signifikant höher, die Laufzeiten deutlich länger – bis zu zehn Jahre. Zudem ist eine Forfaitierung ein sogenannter Spezieskauf: Es werden ausschließlich konkrete Forderungen gekauft. Beim Factoring können hingegen auch Forderungen erworben werden, die erst in der Zukunft entstehen. Forfaitierung wird häufig für das Außenhandelsgeschäft genutzt.
Weiterer Baustein des Instrumentenkastens der Trade-Finance-Lösungen für das Working Capital Management sind Asset-Backed-Securities-Programme. Dabei werden Forderungen an Geschäftspartner im sogenannten Asset Pool gebündelt. Eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft erwirbt den Asset Pool und begibt Anleihen in Höhe der Forderungen – das Unternehmen refinanziert sich am Kapitalmarkt und erhält frische Liquidität. Der Asset-Pool wird in Tranchen aufgeteilt, die jeweils unterschiedliche Risikomerkmale und Renditen aufweisen und damit verschiedene Investoren mit individuellem Risikoappetit ansprechen. Der Aufwand für das Unternehmen ist initial deutlich höher als beim Factoring, außerdem sollten dauerhaft zweistellige Millionenbeträge refinanziert werden. Einmal aufgesetzt ist ein ABS-Programm aber ein geräuschloses Finanzierungsinstrument.
Alle Varianten des Forderungsverkaufs eint ein gemeinsamer Vorteil: Außenstände verschwinden aus der Bilanz, damit erhöht sich die Eigenkapitalquote – die Bilanzstruktur verbessert sich.
Alle Varianten des Forderungsverkaufs eint ein gemeinsamer Vorteil: Außenstände verschwinden aus der Bilanz, damit erhöht sich die Eigenkapitalquote – die Bilanzstruktur verbessert sich. Die gewonnene Liquidität ermöglicht außerdem schnelle Investitionen und damit Wachstum, da der finanzielle Spielraum ad hoc größer wird. Wer als Unternehmer Liquidität benötigt, um attraktive Chancen zu ergreifen, hat nicht immer die Zeit, lange Gespräche mit externen Geldgebern zu führen. Ausstehende Forderungen im Rahmen eines durchdachten Working Capital Managements über Trade Finance-Lösungen in Liquidität zu wandeln ist in diesen Fällen ein sinnvoller Weg, das nötige Kapital zu beschaffen, um Investitionen zu tätigen.
Zahlreiche Anbieter bedienen den Markt, darunter auch die meisten Banken. Wer der passende Partner für Factoring, Forfaitierung oder das ABS-Programm ist, müssen CFO und Team jeweils individuell bewerten – Kriterien sind die Branche, in der sich das Unternehmen bewegt oder der eigene Zugang zum Kapitalmarkt. Eine sorgfältige Due Diligence ist ebenso ratsam wie der Vergleich verschiedener Angebote.
11/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.