Innovative Finanzlösungen und intuitive Software für Unternehmen – das versprechen Fintechs. Wann sind ihre Produkte tatsächlich eine Unterstützung für den Mittelstand?
2021 war ein Jahr der Hoffnung: Allein in den ersten vier Monaten sammelten deutsche Fintechs satte 1,3 Milliarden Euro ein. Die Jungunternehmen bieten Technologie zur Verbesserung und Automatisierung von Finanzdienstleistungen an. Sie haben über Jahre Investoren begeistert und riesige Finanzierungen erhalten.
Inzwischen hat sich der Wind gedreht – Geldgeber schauen genauer hin, differenzieren wieder stärker und priorisieren nachhaltige Geschäftsmodelle. In den ersten vier Monaten 2024 konnten Fintechs sich gerade einmal 408 Millionen Euro sichern – und das sind sogar 34 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie Daten von Barkow Consulting zeigen. Der Finanzierungsmarkt für Fintechs erlebt eine – durch verschiedene geopolitische Krisen befeuerte – Abkühlung. Das ist nicht per se ein Problem, sondern führt im besten Fall dazu, dass nur die stärksten Lösungen überleben. Der Markt konsolidiert sich.
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Bereits seit zweieinhalb Jahrzehnten gibt es Fintechs im deutschen Markt.
Fintechs gibt es im deutschen Markt seit rund 25 Jahren – eins der ersten, die mittlerweile zur Deutschen Börse gehörende Plattform 360T, hat die Banken mächtig geärgert und den bis dahin lukrativen Markt für Währungshandel revolutioniert. Doch die meisten Versuche, den Banken Firmenkunden abzuluchsen, gingen schief. So wurden die frechen Herausforderer von den Banken lange belächelt und vernachlässigt. Mit einigen eindrucksvollen Erfolgen im Privatkundengeschäft – ganz vorn zu nennen der Feldzug des Zahlungsverkehrsdienstleisters PayPal – kehrte vor etwa zehn Jahren Angst bei den Banken ein, die Fintechs könnten ihnen doch mittelfristig das Wasser abgraben. Erste Gespräche zwischen Platzhirschen und Newcomern fanden statt, erste Kooperationen wurden auf den Weg gebracht.
Seitdem haben sich beide Seiten beruhigt. Kaum ein Fintech plant noch, im Firmenkundengeschäft die Banken zu ersetzen. Und kaum eine Bank hat noch Sorge, die Kooperation mit einem Fintech könne die Kundenbeziehung kosten. Denn genau darum geht es im Kern: Die Fintechs mussten auf die harte Tour lernen, dass Kundenbeziehungen zu Mittelständlern langlebig und sehr schwer aufzubauen sind. Allein günstiger oder schneller zu sein reicht nicht, wenn das Vertrauen fehlt – und wenn das Fintech ein Puzzleteil aus einer Gesamtbeziehung von Kunde und Bank herauszunehmen versucht, das auch Grundlage für die Kalkulierung der Kreditkonditionen ist.
Für mittelständische Unternehmen sind vor allem jene Tools interessant, die neue technologische Möglichkeiten beinhalten, also Prozesse digitalisieren oder teilweise standardisieren. Hier bringen die Start-ups einige entscheidende Vorteile für Unternehmen mit, weil sie sich aus dem Produktspektrum und der Wertschöpfungskette einen Teil herauspicken und diesem ihre volle Aufmerksamkeit widmen. Dadurch erhöhen sie den Transformations- und Innovationsdruck auf die Banken und werden gleichzeitig zu attraktiven Kooperationspartnern. Wie das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in einer Studie aus dem Jahr 2021 richtig herausstellt, haben Fintechs weder die finanzielle Kraft noch das Skalierungspotenzial, Großanken den Rang abzulaufen. Die Jungunternehmen müssen sich gegenüber Hausbanken und deren jahrelang gewachsenen Beziehungen zu Firmenkunden vielmehr schlau positionieren.
Die Hausbankbeziehungen der Mittelständler bestehen im Durchschnitt etwa 20 Jahre und sind eben mehr als eine digitale Beratung. Vor allem bei sensiblen Themen wie geplanten Akquisitionen ist die persönliche Kommunikation mit dem Bankbetreuer Unternehmern sehr wichtig.
Dazu kommt, dass in mittelständischen Betrieben Digitalisierung noch nicht überall Einzug gehalten hat. Die Unternehmen können mitunter nicht allein mit Fintechs zusammenarbeiten, weil schlicht die technischen Voraussetzungen fehlen. Außerdem steht die Regulierung den Fintechs im Weg. Eine Banklizenz ist schwer zu bekommen, kostspielig und bindet wegen des hohen Aufwands Kapazitäten, die gerade in Start-ups anderswo gebraucht werden oder gar nicht vorhanden sind.
„Wir betrachten Fintechs in erster Linie als Partner mit komplementären Lösungen, die in unser digitales Ökosystem eingebunden werden können.“
Martin Hemmeter, Deutsche Bank
Statt als Wettbewerber der Banken aufzutreten, ist es in diesem Umfeld für Fintechs schlau, zum Beispiel bei Finanzierungen ihre Lösungen über Partnerschaftsmodelle für etablierte Kreditgeber zugänglich zu machen. Banken stehen dem offen gegenüber. Martin Hemmeter verantwortet bei der Deutschen Bank CVC & Strategische Beteiligungen bei der Corporate Bank und betont: „Wir betrachten Fintechs in erster Linie als Partner mit komplementären Lösungen, die in unser digitales Ökosystem eingebunden werden können.“
Hemmeter schätzt die Agilität der Fintechs und deren problembezogene Lösungen, unterstreicht aber auch, dass der Mittelstand eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den Jungunternehmen beziehungsweise deren fehlender Erfahrung pflegt – das Interesse an den Produkten ist groß, der Umgang mit den Start-ups aber schlicht neu und ungewohnt. Umso wichtiger sei die Zusammenarbeit mit bekannten Finanzierungspartnern. Auch die Autoren der Studie des IfM stimmen diesem Eindruck zu und erwarten keinen „Umsturz der Marktverhältnisse“, sondern einen kontinuierlichen Wandel.
Das ist eine wünschenswerte Entwicklung – die allerdings nur dann weitergeht, wenn Fintechs auch künftig ausreichend Kapital erhalten, um ihre Produkte weiterzuentwickeln und sich in einem Ökosystem bewegen, das ihnen bei der Geschäftsentwicklung hilft. Dazu können Kooperationen und Beteiligungsmodelle mit Banken beitragen; entscheidend sind aber weiterhin Wagniskapitalinvestitionen und zudem Unterstützung aus Politik und Wirtschaft wie die Initiative für Wagnis- und Wachstumsfinanzierung für Deutschland, die Finanzminister Christian Lindner initiiert hat und die Vertreter von Allianz, Deutscher Bank oder BaFin in dem Ziel eint, mehr Finanzierung nach Deutschland zu bringen.
Die Konsolidierung des Markt ist wünschenswert und notwendig, aber die übrig gebliebenen Start-ups brauchen ausreichend Geld. Insofern ist die zaghafte Erholung der Investitionen erfreulich. Nachrichten wie das Closing zweier neuer Fonds für europäische Tech-Start-ups stimmen positiv. Zumal mit Balderton Capital ein Investor die Vehikel auflegt, der bereits an Europas erfolgreichstem Fintech Revolut beteiligt war. Auch hiesige Investoren wie der High Tech Gründerfonds haben frische Mittel – mit 660 Millionen Euro wurde im Juni dessen Wachstumsfonds um einen weiteren Baustein für Wachstumsfinanzierungen ergänzt.
Fintechs liefern schon heute Lösungen, die die Mittelstandsfinanzierung erleichtern und digitalisieren. Davon profitieren Unternehmen vor allem in den Bereichen, in denen die Start-ups ihre Innovationskraft mit den Kernkompetenzen der Hausbank verschmelzen und so zahlreiche Bankprozesse ganzheitlicher machen. Die jeweiligen Defizite werden im Idealfall komplett ausgeglichen: Banken liefern das Vertrauen, persönliche Interaktion und die Lizenz, Fintechs unterstützen mit Transparenz und schnellen, digitalen Prozessen sowie einem tiefen Verständnis von Software. Damit kann Corporate Banking langfristig unkomplizierter werden – eine Situation, in der alle gewinnen.
09/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella-Alessa Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.