In den letzten 15 Jahren ist der Konsortialkredit zum Standard in der Mittelstandsfinanzierung geworden. Jetzt allerdings schüttelt es die Wirtschaft, und das könnte dem bilateralen Kredit auch bei großen Finanzierungen die Wiederauferstehung ermöglichen – oder? Und Moment: War der bilaterale Kredit jemals tot?
Weiterentwicklung, Wachstum, Internationalisierung: Es gibt zahlreiche Anlässe für eine Finanzierung. Größere Vorhaben werden gerne via Konsortialkredit gestemmt. Dabei beteiligen sich mehrere Banken am Kredit, es gibt aber einen gemeinsamen Kreditvertrag für alle Parteien. Oft synonym verwendet, im Detail aber voneinander abweichend, werden Konsortialkredite auch Club-Deals oder Synloans genannt (Lesen Sie hier mehr zu den kleinen aber feinen Unterschieden).
Auch wenn der Konsortialkredit zum Standard geworden ist, der Klassiker ist der bilaterale Kredit. Hier gibt es nur zwei Vertragspartner: Kreditinstitut und Unternehmen. Um größere Summen zu finanzieren, müssen mitunter mehrere bilaterale Kredite mit verschiedenen Banken abgeschlossen werden. Es kommt vor, dass Unternehmen von bilateralen Krediten zum Konsortialkredit wechseln, wenn ein Kreditgeber allein nicht mehr ausreicht. Doch wird der bilaterale Kredit im größeren Mittelstand tatsächlich kaum noch genutzt? Und gibt es Gründe anzunehmen, dass eine Wiederauferstehung bevorsteht?
Ein Grund zumindest liegt auf der Hand: Finanzierungsberater berichten in jüngster Zeit, dass die von den Banken geforderten Margen zum Teil extrem auseinanderklaffen. Weil ein Konsortialkredit immer das Pricing des teuersten zum Zuge kommenden Anbieters haben wird, damit eine Finanzierung zustande kommt (schließlich werden ja alle gleich behandelt), verschenkt der Kunde im Zweifel Geld. Da liegt der Gedanke nah, mehrere Einzelvereinbarungen zu unterschiedlichen Konditionen abzuschließen.
Der Vorteil: In den Vorabverhandlungen treten verschiedene Banken indirekt in den Wettbewerb miteinander, wenn es darum geht, den Kunden zu gewinnen. Das kann zu günstigeren Bedingungen für den Kreditnehmer führen. Außerdem kann der bilaterale Kredit leichter nach individuellen Wünschen der Vertragspartner gestaltet werden: Welche Form des Kredits braucht es – Tilgungsdarlehen, endfällig, Linien, eine Mischung aus verschiedenen Elementen? Die Optionen können direkt zwischen beiden Parteien vertrauensvoll und offen diskutiert werden. Das macht eine schnelle Einigung wahrscheinlich.
Dazu kommt ein breites Spektrum an Fördermitteln, das über vergünstigte Zinssätze, Zuschüsse oder auch Tilgungszuschüsse zum Ende der Laufzeit in den Kredit integriert werden kann. Dazu kommt neben dem Margenvorteil auch ein niedrigerer Kostenblock, weil im Konsortialvertrag zahlreiche Klauseln verhandelt werden müssen, der Prozess länger, schwieriger und damit teurer ist. Allerdings gilt: Ein Konsortialkredit ist in der Regel mit einer Laufzeitzusage kombiniert, zudem wird im Normalfall ein Margen-Grid vereinbart, was bei einer Rating-Verbesserung zu einer Margenreduktion führt (aber natürlich auch umgekehrt wirken kann).
Der Nachteil: Dass nur zwei Partner den Kreditvertrag schließen, kann sich auch negativ auswirken. Zieht die Bank sich aus dem Kredit zurück, bricht dem Unternehmen ein Teil seiner Finanzierung komplett weg. Ein neues Kreditinstitut muss gefunden werden – mit allen dann anstehenden Prozessen, Abstimmungen und Risiken. Auch im Konsortialkredit muss bei Refinanzierungen oder Verstößen gegen Bedingungen neu verhandelt werden – aber die Wahrscheinlichkeit, dass es bei gleichbleibender Geschäftslage zu einer Einigung kommt, ist bei bereits miteinander bekannten Finanzierungspartnern höher. Dazu kommt: Bilaterale Kredite sind im Volumen naturgemäß begrenzt, da nur eine einzelne Bank den Kredit stellt. Je größer also die Finanzierungssumme, desto mehr bilaterale Kredite braucht es – mit jeweils eigenem Vertrag und zugehörigem Aufwand. Die Banken fühlen sich in einem solchen, manchmal bewusst intransparent gehaltenen Konstrukt gegebenenfalls unwohl, und viele Mittelständler überschauen die potenziellen Wechselwirkungen der einzelnen, voneinander abweichenden Kreditverträge unter Umständen nicht – das gilt vor allem für Krisen.
„Bei Summen über 50 Millionen Euro kann ein Konsortialkredit diskutiert werden.“
Sandra Heinrich, Deutsche Bank
Spannende Informationen und relevante Themen aus der Wirtschaft und Finanzwelt in kompakter Form für Ihren unternehmerischen Alltag und für Ihre strategischen Entscheidungen.
Wir machen Wirtschaftsthemen zu einem Erlebnis.
Große Volumina werden unter aus diesen Gründen oft über Konsortialkredite finanziert. „Bei Summen über 50 Millionen Euro kann ein Konsortialkredit diskutiert werden“, sagt Sandra Heinrich, bei der Deutschen Bank für die bilaterale Kreditvergabe an Firmenkunden verantwortlich. Die Vereinbarung mit mehreren Banken hat verschiedene Vorteile. Es wird nur ein Vertrag geschlossen, den alle Mitwirkenden unterzeichnen. Unter den beteiligten Banken übernehmen in der Regel ein oder zwei Institute federführend die Zusammenstellung des Konsortiums. Außerdem wird ein Konsortialführer beziehungsweise Facility Agent installiert, der den Informationsfluss zwischen den Parteien garantiert und die Verwaltung des Konsortialkredits übernimmt.
Die Kunden bekommen also höhere Kredite mit geringerem Risiko des Rückzugs des Kreditgebers und mit ebenfalls geringerem Risiko in der Krise: Im Regelfall sind Banken aus dem Konsortium unter anderem über Mehrheitsrechte diszipliniert – daraus folgt eine stärkere Bindung in Krisensituationen. Stehen Entscheidungen wie Refinanzierungen an, werden diese gemeinsam unter allen beteiligten Parteien verhandelt und beschlossen. Zieht sich ein Kreditinstitut aus dem Vertrag zurück, geht erstens nicht die gesamte Finanzierung verloren und zweitens ist es wahrscheinlich, dass aus der Runde eine andere Bank einspringt – das Klumpenrisiko des bilateralen Kredits ist für den Kunden ausgemerzt.
Allerdings gilt bei einem Konsortialkredit auch: Der Vertrag kommt nicht ohne verschiedene Klauseln aus. Dazu zählen Financial and Non-Financial Covenants, Kündigungs- und MAC-Klauseln, um nur einige zu nennen. Deren Verhandlung ist mühsam, zeitintensiv und führt zu Vertragswerken von gerne einmal 100 Seiten plus. Der Vertrag zum bilateralen Kredit kommt hingegen auch mit wenigen Seiten gut aus. Die Komplexität steigt mit dem Konsortialkredit – ebenso wie die Kosten. Heinrich dazu: „Bei einem Konsortialkredit haben wir andere Preiskomponenten.“ Vor allem werden ganz unterschiedliche Gebühren fällig (hier finden Sie alle Details). Und dann sind da noch die von der wirtschaftlichen Lage abhängigen Komponenten. Die aktuelle Unsicherheit und multiple Krisen führen dazu, dass Banken die Vergaberichtlinien für Unternehmenskredite verschärfen – und sie verlangen mehr Eingriffsrechte und oft auch höhere Kreditmargen (die aktuellen Knackpunkte im Kreditvertrag finden Sie hier). Und wie gesagt: Im Bankenkonsortium wird gemeinsam ein bestimmter Preis definiert – vielleicht nicht der teuerste, sicher aber auch nicht der günstigste.
Womit wir wieder bei der Eingangsfrage wären – erlebt der bilaterale Kredit deswegen eine Wiederauferstehung? Und war er überhaupt jemals weg? Nicht, wenn es nach Sandra Heinrich von der Deutschen Bank geht: „Auch wenn es in den letzten Monaten aufgrund der Marktunsicherheiten zu verringerter Investitionsbereitschaft und damit Kreditnachfrage kam, insgesamt sind in den letzten zehn Jahren die Finanzierungsvolumina in bilateralen Krediten gewachsen – bedingt durch viele Transformationsthemen wie ESG oder Digitalisierung, die Investitionen nötig machen, aber auch durch akute Krisen wie Corona.“ Unsicherheiten und die volatile Wirtschaftslage dämpfen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen insgesamt. Heinrich ist aber sicher, dass es sich hier um einen temporären Effekt handelt. Schließlich hat die Zahl der Herausforderungen, die Finanzierung erfordern, nicht abgenommen. „Der Unternehmer ist im Moment vorsichtig, die Nachfrage wird aber wieder steigen“, prognostiziert die Expertin.
Der bilaterale Kredit war nie tot – Wiederauferstehung unnötig.
Vorstellbar ist aber durchaus, dass Firmen, die bereits mehrere bilaterale Kredite haben, in den kommenden Monaten zögern werden, von diesen Vereinbarungen auf den Konsortialkredit zu wechseln. Dessen höhere Kosten könnten in der angespannten Situation den Ausschlag geben, bei bilateralen Verträgen zu bleiben. Andererseits ist den Unternehmen in der volatilen Lage vor allem die Finanzierungssicherheit wichtig – das kann unabhängig vom Preis durchaus für die Konsortialvariante sprechen.
Bei allen Vor- und Nachteilen der jeweiligen Kreditformen sprechen die Zahlen für sich: Insgesamt machen Konsortialkredite in Deutschland nur einen geringen Teil der insgesamt vergebenen Finanzierungen aus. Sie sind schlicht nur für größere Unternehmen interessant. Hinsichtlich der Volumina ist ihr Anteil natürlich größer, da sie ja explizit für große Summen gedacht sind. Dass Konzerne angesichts der volatilen Zeiten vom Konsortialkredit auf bilaterale Kredite umsteigen, um damit Margen zu senken, ist nicht zu erwarten. Konzerne bemühen sich auch im Konsortialkredit stark darum, Preise zu drücken. Sie bleiben aber wegen der Praktikabilität beim Einwerben großer Summen, der Gleichbehandlung der Banken und der Sicherung einer gewissen Finanzierungslaufzeit über drei bis fünf Jahre bei dieser Kreditform. Allerdings kann es andersherum durchaus sein, dass Unternehmen auch für größere Finanzierungen länger bei mehreren bilateralen Krediten verweilen, um die Kosten des Konsortialkredits erst einmal zu meiden. Grundsätzlich gilt also: Der bilaterale Kredit war nie tot – Wiederauferstehung darum unnötig.
09/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Isabella Bauer. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.