Nach der Finanzkrise wurden Banken strenger reguliert. Das hat Spielräume für flexible alternative Finanzierer wie Debt-Fonds geschaffen. Nun werden Rufe laut, sie auch stärker an die regulatorische Kandare zu nehmen – zu Recht?
Die Finanzkrise hat 2008 schonungslos das systemische Risiko im globalen Bankensektor aufgedeckt – und die Finanzwelt verändert. Noch in der Krise wurde der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board, kurz FSB) ins Leben gerufen. Die internationale Organisation soll das Finanzsystem sicherer machen und hat die heutige Bankenregulierung entscheidend geprägt.
Längst stecken wir in der nächsten Krise, die wurde allerdings nicht von der Finanzwelt ausgelöst. Stattdessen prüft der Finanzstabilitätsrat in diesem Jahr, ob auch der sogenannte Schattenbankensektor enger an die Leine genommen werden sollte. Dazu zählen für den Finanzstabilitätsrat neben Hedgefonds, Geldmarktfonds und Vermögensverwaltern die Debt-Fonds, die für die Unternehmensfinanzierung auch in Deutschland immer wichtiger werden.
Anlass für die Überprüfung sind die coronabedingten Marktturbulenzen im März 2020. Entscheidend sind für den FSB drei Fragen: Haben die Schattenbanken den Coronaschock verstärkt? Welche systemischen Risiken gehen von dem Sektor aus? Und welche politischen Maßnahmen können ergriffen werden, um diese Risiken zu minimieren?
Das klingt vertraut, der Rat stellte 2009 fast die gleichen Fragen in Bezug auf die Banken. Die Erkenntnis damals: Banken stellen ein systemisches Risiko dar. Die Folgen: Die Banken mussten regulatorisch nachrüsten. Sie mussten ihr Eigenkapital stärken, ihr internes Risikomanagement verbessern und riskante Geschäfte mit mehr Eigenkapital unterlegen. Die strenge Regulierung hat unter anderem dazu geführt, dass sich die Banken aus riskanteren Geschäften zurückgezogen haben, etwa aus der Finanzierung von Unternehmen mit schwächeren Bonitäten. Die Banken öffneten damit eine Marktlücke, die auch von Debt-Fonds geschlossen wurde – und das mit kräftiger Unterstützung des Regulators: Die alternativen Finanzierer dürfen seit 2015 direkt Kredite an Unternehmen vergeben (bis dahin mussten sie einen Umweg über eine sogenannte Fronting Bank nehmen). Liberalisierung und Niedrigzinsumfeld führten zu einem wahren Boom von Private Debt.
Bislang haben die Debt-Fonds also von der Bankenregulierung profitiert. Mit der Größe der Fonds wächst aber auch ihre volkswirtschaftliche Bedeutung. Als „Schattenbanken“ definiert der Finanzstabilitätsrat alle Akteure, die bankähnliche Funktionen (insbesondere im Kreditvergabeprozess) wahrnehmen, aber keine Banken sind und somit nicht der Regulierung für Kreditinstitute unterliegen. Dass der Regulator sich die Debt-Fonds vornimmt, ist sinnvoll. Sie genauso wie Banken zu behandeln, allerdings nicht. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen.
Debt-Fonds sind bereits reguliert. Damit ein Fonds in Deutschland Kredite an Unternehmen vergeben darf, benötigt er die Erlaubnis der BaFin. Richtschnur ist das Kapitalanlagegesetzbuch, das unter anderem Mindestanforderungen an die Organisation und das Risikomanagement beinhaltet. Dem Bundesverband Alternativer Investments zufolge lehnen sich die Anforderungen stark an die der Banken an.
Debt-Fonds können kein Geld schöpfen. Anders als Banken, die mehr Kredit vergeben dürfen, als sie Einlagen haben, und über die sekundäre Geldschöpfung massiven Einfluss auf die Geldmengenentwicklung haben, können Debt-Fonds nur Geld verleihen, das sich bereits im System befindet.
Debt-Fonds sind Solitäre im Finanzsystem und wickeln keinen Zahlungsverkehr ab. Wie sich bei Lehman zeigte, macht vor allem die enorme Vernetzung der Banken untereinander das System anfällig, wenn ein Haus umfällt (Stichwort Interbankenmarkt). Außerdem übernehmen Banken die zentrale volkswirtschaftliche Funktion, Geld von A nach B zu transferieren. Debt-Fonds dagegen sind kaum in das Finanzsystem eingebunden und übernehmen keine vitalen Funktionen für Dritte.
„Debt-Fonds besetzen im Mittelstand Nischen
und übernehmen Risiken, die Banken nicht haben
wollen.“
Stephan Beil, Deutsche Bank
Debt-Fonds arbeiten in der Regel mit 100 Prozent Eigenkapital. Das unterscheidet sie fundamental von Banken, deren Bilanzen extrem mit Fremdkapital gehebelt sind. Eigenkapitalquoten von 15 Prozent sind schon ein Ausreißer nach oben. Entsprechend geringer ist das Risiko bei den Fonds: Wenn ein Debt-Fonds zehn Prozent seiner Kredite abschreiben muss, hat er das Geld nach 12 bis 18 Monaten wieder verdient. Wenn eine Bank zehn Prozent ihrer Kredite abschreiben muss, wird sie entweder vom Staat gerettet oder abgewickelt.
Debt-Fonds betreiben keine Fristentransformation. Zwar hat der Regulator diese auch bei Banken stark eingeschränkt, doch sie haben immer noch die volkswirtschaftliche Aufgabe, den Transmissionsriemen zwischen der kurzfristigen Anlagepräferenz der Sparer und dem langfristigen Kreditbedarf der Schuldner zu bilden.
Debt-Fonds verwalten kein Geld von besonders schutzbedürftigen Privatanlegern. Investitionen sind nur professionellen Investoren erlaubt. Der Wertpapierprospekt eines Debt-Fonds (in etwa vergleichbar mit den AGBs einer Bank) umfasst rund 200 Seiten und wird von institutionellen Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen oder Dachfonds regelmäßig bei jedem neuen Fundraising kritisch analysiert.
Debt-Fonds sind eingeschränkt in ihrer Mittelverwendung. Das klingt paradox, sind sie doch in der Finanzierung oft flexibler als Banken. Aber eine Bank kann mit den Einlagen ihrer Kunden prinzipiell anstellen, was sie möchte. Der Kunde hat keinen Einfluss darauf, ob die Bank einen Immobilienkredit begibt oder das Investmentbanking finanziert. Debt-Fonds dagegen geben ein klares Commitment zum Investitionsfokus ab. Sie haben ein eindeutiges Mandat und müssen ihren Investoren quartalsweise Rechenschaft ablegen.
Das Finanzsystem kann und soll Risiken tragen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht stellt sich aber die Frage, welche Risiken bei welchem Träger am besten aufgehoben sind. Debt-Fonds können durch ihre Struktur höhere Risiken nehmen. Und wenn das Risiko schlagend wird, bedrohen die Ausfälle nicht gleich das gesamte Finanzsystem. Darum erkennen auch die Banken den volkswirtschaftlichen Nutzen an: „Debt-Fonds besetzen im Mittelstand Nischen und übernehmen Risiken, die Banken nicht haben wollen“, sagt Stephan Beil. Der Leiter Structured Finance der Deutschen Bank nennt als Beispiel die Sub-Investmentgrade-Risiken. Er vertritt die These der friedlichen Koexistenz von Banken und Debt-Fonds. Den mittelständischen Leveraged-Finance-Markt teilen sich Banken und Debt-Fonds inzwischen bereits zu fast gleichen Teilen auf.
Die Aufgabe der Regulierer ist simpel beschrieben: ein System zu schaffen und zu erhalten, das die Realwirtschaft unkompliziert und effizient an der richtigen Stelle mit der richtigen Finanzierung versorgt und Geld sicher von A nach B fließen lässt. Doch sie spielen eine höchst undankbare Partie: Die Partie darf nie zu Ende gehen, keiner darf gewinnen, und die Verlierer dürfen das Spiel nicht zerstören. Außerdem sind die Spieler vollkommen unterschiedlich. Trotzdem sollen möglichst die gleichen Regeln für alle gelten. Und das Spiel ändert sich dauernd – neue Technologien wie Internet oder Blockchain verändern die Spielstrategien. Mit Fintechs oder Debt Funds betreten ganz neue Spielertypen das Feld. Ein solches Spiel am Laufen zu halten ist eine zwar sehr spannende, aber auch extrem schwierige Aufgabe.
Wie sich Debt-Fonds in der Krise verhalten, ist allerdings nicht abschließend geklärt – einen kompletten Konjunkturzyklus haben sie in Deutschland noch nicht durchlaufen. Beil sieht aber in der Coronakrise positive Signale. „Wenn das so bleibt, dann gibt es für mich keinen Grund, die Regulierung der Debt-Fonds auf das Niveau der Banken zu heben.“
Wenn sich Kreditrisiken auf mehr Schultern verteilen, sinkt das Risiko für das Gesamtsystem. Entscheidend ist die Transparenz, wo die Risiken liegen. Bei den Debt-Fonds sind sie gut aufgehoben, weil sie weitgehend abgeschottet von den vitalen Funktionen des Finanzsystems sind. Eine der großen Lehren der Finanzkrise lautet, dass die Risiken nicht konzentriert sein dürfen. Mit Schrecken erinnern sich die Aufseher daran, wie der Versicherungsgigant AIG mit 182 Milliarden Dollar gerettet werden musste, weil er zahllose intransparente Kreditrisiken unzähliger Markteilnehmer versichert hatte. Debt-Fonds dagegen nehmen in ihren Nischen das Risiko gemeinsam mit ihren Investoren selbst – mit dieser Strategie sind sie kein Unsicherheitsherd, sondern eher ein Stabilitätsanker in einer höchst komplexen Welt.
04/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Philipp Habdank. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.