Verschulden und ausschütten

Von Finanzinvestoren geführte Unternehmen schütten regelmäßig an ihre Gesellschafter aus und verschulden sich dafür. Auch inhabergeführte Mittelständler zahlen sich gern Sonderdividenden, aber selten fremdfinanziert. Warum eigentlich nicht?

Auch Schlumpfhersteller Schleich verschuldete sich, um dem Eigentümer eine Dividende auszuzahlen. Verwerflich ist daran nichts. Foto: picture alliance / dpa | Norbert Försterling

Was haben der Autoteilehändler Rameder, der Chemiezulieferer Pfaudler und der Schlumpfproduzent Schleich gemeinsam? Die drei mittelständischen Traditionsunternehmen befinden sich im Besitz von Private Equity. Und alle drei haben mindestens einmal Schulden aufgenommen, um ihren Eigentümern damit eine Dividende auszuzahlen. Im Finanzjargon nennt man diese Art von Transaktionen Recapitalizations oder kurz: Recaps.

Private-Equity-Investoren nutzen Recaps gern, wenn ein Verkaufsversuch des Portfoliounternehmens gescheitert ist. Dann muss der Finanzinvestor mindestens ein Jahr warten, bis er einen neuen Verkaufsversuch starten kann. Um sich vorab einen Teil der Rendite zu sichern, lässt sich der Private-Equity-Investor dann eine Sonderdividende ausbezahlen. Damit der Cashflow und der Gewinn des Unternehmens nicht zu stark belastet werden, finanziert der Finanzinvestor den Recap komplett über Schulden, die das Unternehmen abtragen muss. Finanziert werden die Recaps sowohl von Banken als auch von Debt Funds.

„Geld aus dem Unternehmen abzuziehen sendet immer das Signal, dass der Eigentümer dafür eine bessere Verwendung hat, als es im Unternehmen zu lassen.“

Stephan Beil, Deutsche Bank

In den vergangenen drei bis vier Jahren sind die Recaps im mittelständischen Private-Equity-Geschäft allerdings seltener geworden, wie der „Midcap Monitor“ der Investmentbank-Boutique GCA Altium zeigt. Im Gegenzug hat der Anteil von Add-on-Finanzierungen zugenommen, da Private-Equity-Investoren immer stärker auf Buy-and-Build-Strategien setzen und das Geld lieber für Zukäufe im Unternehmen lassen.

Lassen sich Recaps auf Familienunternehmen übertragen?

Vor allem die Debt Funds, aber auch die Banken prüfen immer wieder, ob sich das Recap-Modell auf den familien- und inhabergeführten Mittelstand übertragen lässt, der oft weit unter der eigentlichen Verschuldungskapazität fremdfinanziert ist. Die Motivation dahinter folgt der Absicherungslogik von Private Equity, nur dass nicht die Rendite, sondern das im Unternehmen gebundene Vermögen abgesichert wird.

Gerade bei kleineren Familienunternehmen steckt oft ein Großteil des Familienvermögens im Unternehmen. Über einen Recap könnte ein erheblicher Teil davon hinter die Brandschutzmauer geschafft werden. Die simple Logik: Geht es mit dem Unternehmen bergab, steht nicht das gesamte Vermögen im Feuer.

Dividenden, Sonderausschüttungen und Gesellschafterdarlehen sind auch im Mittelstand bereits üblich – sie mit Schulden zu finanzieren, hingegen nicht. „In der Theorie ist die Idee absolut richtig, in der Praxis finden Recaps im Mittelstand außerhalb von Private Equity aber nicht statt“, berichtet Stephan Beil, der das Geschäft mit Akquisitionsfinanzierungen in der Deutschen Bank leitet.

Stille Reserven heben statt verkaufen

Florian Wimpff von ELF Capital sieht das etwas anders, ist aber auch stärker auf den kleinen Mittelstand fokussiert. Der Debt Fund ist hierzulande einer der wenigen Kreditfonds, denen auch außerhalb der Private-Equity-Welt schon Finanzierungen mit mittelständischen Unternehmen gelungen sind. Recaps seien dabei immer wieder ein Thema, vor allem wenn sie etwas breiter gedacht würden, beobachtet Wimpff.

Ob der Mittelständler einen Teil des Vermögens hinter die Brandschutzmauer bringen möchte, Geld für die Nachfolgeregelung innerhalb der Familie benötigt, einen oder mehrere Minderheitsgesellschafter ausbezahlen möchte oder der Inhaber sich einfach einen privaten Traum erfüllen will, ist dem Debt Fund zunächst einmal egal. Einzige Bedingungen: Die Qualität des Geschäftsmodells passt, das Unternehmen kann die Schuldenlast aus dem Recap aus dem laufenden Cashflow tragen, und es stehen ausreichend Sicherheiten zur Verfügung.

„Bei einem Recap deckt der Unternehmer im Prinzip einfach stille Reserven auf, indem er sein Unternehmen beleiht, um sich dadurch Liquidität zu beschaffen“, meint Wimpff. Er vergleicht den Recap mit der Beleihung einer Immobilie. Auch wenn dieses Bild etwas schief ist, da der Wert einer Immobilie deutlich stabiler ist als der Wert eines Unternehmens, veranschaulicht es die Funktionsweise von Recaps doch ganz gut.

Maximale Höhe und Preis eines Recaps hängen vom Unternehmen ab, die Konditionen für Mittelständler orientieren sich Florian Wimpff zufolge an den Recaps im Private-Equity-Geschäft: Private-Equity-Investoren „beleihen“ in der Regel die Hälfte des Unternehmenswerts. Die Finanzierungskosten bei einem Debt Fund liegen üblicherweise im hohen einstelligen bis niedrig zweistelligen Prozentbereich.

Warum Mittelständler bei Recaps zögern

Wie viele mittelständische Recaps in Deutschland gemacht werden, ist schwer zu bestimmen. „Das ist ein sehr intransparenter und informeller Markt, bei dem Vertrauen eine sehr große Rolle spielt“, meint Florian Wimpff. Viele Mittelständler haben Vorbehalte gegenüber Recaps und möchten nicht, dass diese publik werden. Höhere Schulden senken zwangsläufig die Eigenkapitalquote und bedeuten in der Regel ein schlechteres Rating für das Unternehmen. Auch eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent hält Banker Beil bei größeren Mittelständlern allerdings noch für sehr solide. „Es müssen nicht immer 60 Prozent oder mehr sein.“

„Bei einem Recap deckt der Unternehmer im Prinzip einfach stille Reserven auf, indem er sein Unternehmen beleiht, um sich dadurch Liquidität zu beschaffen.“

Florian Wimpff, ELF Capital

Und dann wäre da noch die Angst vor der Signalwirkung. „Geld aus dem Unternehmen abzuziehen sendet immer das Signal, dass der Eigentümer dafür eine bessere Verwendung hat, als es im Unternehmen zu lassen“, vermutet Beil. Das eröffne stets Raum für Spekulationen – egal ob diese gerechtfertigt seien oder nicht. Auch wenn die Frage nach der besseren Verwendung berechtigt ist: Privat- und Unternehmensvermögen zu trennen ist aus Gründen der Risikodiversifizierung richtig, kein professioneller Investor legt alle Eier in einen einzigen Korb. Natürlich muss das Geld vernünftig angelegt werden, aber darf weniger Rendite erzielen als im Unternehmen, weil das gestreute Risiko auch einen Wert darstellt.

Banken würden sich über Recaps freuen, sie hoffen auf lukrative Mandate für das Wealth Management. Ab einer gewissen Größe – 50 Millionen Euro aufwärts – kann der Unternehmer auch die Idee eines eigenen Family Office durchspielen. Dann wird er über Beteiligungen selbst zum Finanzinvestor. Und für den gehört das professionelle Spiel mit Schulden als Hebel – der sogenannte Leverage – ganz selbstverständlich zur Jagd auf Rendite.

2/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Autor: Philipp Habdank. Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.