„Man darf in Verhandlungen nicht argumentieren, man muss fordern “

Wer intuitiv verhandelt, macht fast alles falsch. Im Existenzkampf kann das den Unternehmer Kopf und Kragen kosten. Wie es richtig geht, verrät Verhandlungsprofi Matthias Schranner.

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Foto: Schranner AG

Herr Schranner, folgende Situation: Showdown bei den Banken, es geht um alles. Wie bereitet sich der Unternehmer vor?

Er definiert Ziel, Strategie und Taktik. Das ist die Theorie. Die meisten gehen leider nicht strategisch und taktisch in Verhandlungen, sondern intuitiv. Und bei der Zieldefinition begehen die meisten den Fehler, mit sich selbst zu verhandeln statt mit dem Gegenüber.

Wie meinen Sie das?

Die meisten versuchen, sich in die Gegenseite einzufühlen und herauszufinden, welches Verhandlungsergebnis möglich ist. Das ist ein grundlegender Fehler, weil man das Ergebnis durch seine eigenen Wertvorstellungen und Ängste limitiert. Ich muss nicht verstehen, was für meinen Verhandlungspartner wichtig ist. Ich muss wissen, was für mich selbst wichtig ist. Wer sich auf die Gedankenwelt des Gegenübers einlässt, akzeptiert dessen Verhandlungsführung. In unserem Fall trifft der Unternehmer auf angestellte Manager, das ist eine ganz andere Denkwelt.

Verstanden, aber vorbereiten auf die Gegenseite sollte man sich doch wohl schon …

Selbstverständlich, aber mit Blick für das Wesentliche. Deutsche bereiten sich inhaltlich viel zu gut vor. Sie haben genau überlegt, was sie für erreichbar halten, und alle Informationen aufbereitet. Aber Strategie und Taktik werden vernachlässigt. Darum wissen sie nicht, welche Frage sie wann stellen oder welche Forderung sie zuerst präsentieren sollen. Stattdessen kommen sie gleich mit einem gut begründeten Angebot.

Kurzporträt Matthias Schranner

Matthias Schranner war früher Polizist und ist Experte für schwierige Verhandlungen. Der 58-Jährige ist durch Bücher wie „Verhandeln im Grenzbereich: Strategien und Taktiken für schwierige Fälle“ und „Teure Fehler: Die 7 größten Fehler in schwierigen Verhandlungen“ bekannt geworden. Heute berät er die UNO ebenso wie Konzerne und politische Parteien.

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Ist das ein Fehler?

Die Verhandlungsführung dient dazu, die Grenzen zu testen und Optionen auszuloten. Und man darf in einer Verhandlung nicht argumentieren, sondern muss fordern.

Wie kann man denn fordern, ohne zu argumentieren?

Das fällt tatsächlich vielen schwer, weil wir in unserem Kulturraum glauben, alles rational begründen zu müssen. Die Deutschen kommen gern mit einer einzigen Forderung und erklären, warum sie berechtigt ist. Aber wenn ich ein Argument bringe, dann behaupte ich, im Recht zu sein. Das führt in der Regel zu Gegenargumenten. Dadurch beginnt sich die Verhandlung auseinanderzuentwickeln, es kommt oft zu einer Streitsituation. Eine Forderung dagegen führt dazu, dass die Gegenseite Position beziehen muss und Informationen preisgibt.

Wie kann man sich das praktisch vorstellen?

Am besten funktionieren Fragen: „Können Sie sich vorstellen, Fresh Money mit xy zu verbinden?“ oder „Wäre es möglich, dass wir die Rangfolge ändern?“ Das ist ein guter Weg, um zu erkennen, was der Gegenseite wichtig ist. Eine Forderung darf nicht konfrontativ sein oder überrumpeln, sondern testet sehr freundlich im Konjunktiv, in welche Richtung es gehen könnte.

Was unterscheidet denn die Forderung von dem Angebot?

Eine Forderung ist kein finaler Vorschlag, die erste Forderung bringt mich zur nächsten und lässt mich erkennen, wo eine Einigung gefunden werden kann. Das Angebot kommt erst in der letzten Minute der Verhandlungen. Bei einer partnerschaftlichen Verhandlung kann man auch gleich ein Angebot vorlegen. In einer Krisensituation wäre genau das aber falsch, weil die Grundlage fehlt: das Vertrauen.

Aber wir reden doch hier über Verhandlungen zwischen Partnern, die sich seit Jahren kennen …

Die Institutionen kennen sich, aber nicht die Personen. Es gibt oft eine Vertrauenssituation zwischen Unternehmen und Bank. Aber in schwierigen Situationen wechseln die Ansprechpartner. Und durch Fehler der Vergangenheit ist oft Vertrauen verspielt worden. Meine Kunden überschätzen eigentlich immer die Bedeutung der Beziehung zur Gegenseite.

„Die meisten versuchen, sich in die Gegenseite einzufühlen und herauszufinden, welches Verhandlungsergebnis möglich ist. Das ist ein grundlegender Fehler.“

In schwierigen Verhandlungen wird es oft emotional. Sollte man dieses Element herausnehmen oder für sich nutzen?

Wer in der Verhandlung emotional wird, hat schon verloren, weil er Fehler macht. Andererseits: Um die Existenz zu kämpfen ist eine emotionale Ausnahmesituation. Wir raten darum zu dem Krisenmodell des FBI, nach dem alle Polizeiorganisationen verhandeln. Da gibt es am Tisch einen Verhandlungsführer und einen, der aufpasst – den sogenannten Commander. Der Unternehmer selbst ist nicht dabei.

Wie behält der Chef trotzdem die Kontrolle?

Indem er vorab das Ziel und die rote Linie definiert. Mit diesem Verhandlungsmandat stellen wir dann das Verhandlungsteam zusammen.

Sollte das Team aus dem Unternehmen kommen?

Ja, wenn es geeignete, konfliktfreudige und souveräne Mitarbeiter gibt. Das sind übrigens selten die Personen, die der Chef nennt. Eignet sich niemand, dann nehmen wir einen Externen – oft Anwälte.

Auch darunter gibt es etliche, die ihre Emotionen nicht immer im Griff haben …

Das stimmt, aber dann sind es die falschen. Wer in seinem Ego angreifbar ist oder Sympathien für die Gegenseite entwickelt, verlässt seine Strategie. Es braucht einen Plan für jede Verhandlungsrunde, an den sich alle halten. Die Verhandlungsführung selbst darf ein spielerisches Element enthalten, das ist in unserem Kulturkreis allerdings nicht vielen gegeben.

Wann sollte man Verhandlungen unterbrechen?

Wenn es für die Gegenseite zu gut läuft. Und wenn man an einem Punkt nicht weiterkommt und merkt, dass ein Vieraugengespräch notwendig ist.

„Wer in seinem Ego angreifbar ist oder Sympathien für die Gegenseite entwickelt, verlässt seine Strategie.“

Sind Strategien wie „good cop, bad cop“ sinnvoll?

Nein, wir lehnen alle manipulativen Elemente in der Verhandlung ab. In dieser Liga funktioniert das ohnehin nicht: In Krisensituationen sitzen den Unternehmern Profis gegenüber, die alle Spielchen kennen.

Wie macht man am Ende den Sack zu?
Indem man schon während der Verhandlungen immer wieder den Stand zusammenfasst – und zwar explizit nicht mit einer objektiven Perspektive: „Aus unserer Sicht könnten wir uns auf Folgendes einigen …“ Damit gebe ich meinem Verhandlungspartner die Möglichkeit, mich zu korrigieren. Wenn man versucht, ein objektives Ergebnis zusammenzufassen, gerät man rasch wieder in Streit.

Wenn Ihre Kunden trotz Ihrer Beratung scheitern – woran?
Bei aller Bescheidenheit: Das passiert nicht. Wenn man alles gut vorbereitet, gibt es am Ende kein Gegentor. Verhandeln kann man lernen, das ist keine Zauberei.

01/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.

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