Kredit gegen Krypto-Währung: Im Sommer hat das sogenannte Krypto-Lending einen wahren Boom erlebt. Wie funktionieren die neuen Kredite, was ist zu beachten – und sind sie auch für Unternehmen geeignet?
„Die Zeit der niedrigen Zinsen ist endlich vorbei“, warb noch vor wenigen Monaten eine deutsche Neobank – und zielte damit offensichtlich auf Anleger, die angesichts fallender Aktienmärkte eine attraktive Verzinsung für ihr Kapital suchten. Hinter dem Versprechen stand eine Kooperation mit Celsius, bis vor Kurzem mit Vermögenswerten von rund 12 Milliarden US-Dollar führend im Krypto-Kreditgeschäft. Das Geschäftsmodell von Celsius: Wer Krypto-Währungen hat, kann sie zu einer attraktiven Verzinsung Celsius „leihen“, die sie wiederum gegen Zinsen weiterverleiht. Doch inzwischen hat Celsius Insolvenz angemeldet und die „Krypto-Sparer“ warten vergebens darauf, wieder vollständig an ihre Einlagen zu kommen. Ursache für die Celsius-Pleite war offenbar ein klassischer Bank-Run: Als die Kurse der Krypto-Währungen im Jahresverlauf zusammengebrachen, wollten viele Kunden ihre Einlagen abziehen. Zu viele für Celsius.
Willkommen in der volatilen Welt der Krypto-Währungen. Der Celsius-Crash ist nicht die erste Misserfolgsgeschichte und sicherlich auch nicht die letzte. Kurz vor Celsius hatte Wettbewerber Voyager Insolvenz anmelden müssen. Und doch bleiben die Möglichkeiten der Krypto-Finanzwelt weiterhin für viele sehr attraktiv, weil die Renditechancen so hoch sind. Zugleich entstehen neue Möglichkeiten für Kreditnehmer.
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Wie funktioniert Krypto-Lending?
Auf der einen Seite stellen Krypto-Besitzer ihre Guthaben einer Plattform zur Verfügung, die auf der anderen Seite wieder Krypto- oder auch Fiat-Währung wie US-Dollar verleiht. Der große Vorteil für die Kreditnehmer: Sie benötigen keine Kreditprüfung, nur die Personalien werden gecheckt. Dadurch ist die Kreditvergabe sehr schnell. Im Konsumentensegment steht der Kredit oft schon in wenigen Minuten zur Verfügung, die Laufzeiten sind sehr variabel, der Kredit kann jederzeit zurückbezahlt werden. Ein weiterer Vorteil der Krypto-Lending-Plattformen: Sie können den Kredit oft in mehr als 100 Ländern weltweit auszahlen, sodass Kreditnehmer nicht auf nationale Anbieter beschränkt sind. Allerdings muss eigene Krypto-Währung als Sicherheit gestellt werden. Die typische Beleihungsquote ist dabei niedrig, weil der Wert der Sicherheit sehr volatil ist: Für eine Sicherheit von 15 Bitcoins können 10 Bitcoins oder ihr Äquivalent in US-Dollar, Euro o.a. geliehen werden.
Warum leihen, wenn man hat?
Wie bei einem Baukredit auch liegt der Vorteil darin, dass die Sicherheit nicht liquidiert werden muss, um an frisches Kapital zu kommen. Das ist vor allem dann interessant, wenn die Eigentümer von Bitcoin, Ether und anderen Krypto-Währungen ihre Bestände in Erwartung steigender Wertentwicklung nicht verkaufen wollen. Mit dem Krypto-Lending können sie ihr bisheriges Vermögen dazu einsetzen, weitere Bitcoins & Co. zu erwerben – oder etwas anderes.
Die Risiken
Sobald der Wert der Sicherheit die ausgezahlte Summe erreicht oder unterschreitet, wird der Kredit automatisch liquidiert bzw. der Kreditnehmer erhält einen Margin Call (deutsch: Nachschussforderung), damit er die Sicherheitensumme rasch erhöht. Trotz der niedrigen Beleihungsquote hat der drastische Kursverfall von Krypto-Währungen gezeigt, wie schnell diese Situation eintreten kann.
Der Markt ist vor allem auf Privatkunden ausgerichtet, aber inzwischen gibt es auch spezielle Angebote für Unternehmen. Allerdings ist das Segment bislang sehr überschaubar. Erst wenige Anbieter wie Salt Lending und Nebeus adressieren direkt Geschäftskunden. Sie werben damit, Kredite im (niedrigen) Millionen-US-Dollar-Bereich gegen Krypto-Sicherheit zur Verfügung zu stellen, und das in wenigen Tagen. Salt Lending hat offenbar in erster Linie Start-ups und Krypto-Miner im Blick, die eigene Krypto-Währungen „schürfen“ und in neue Kapazitäten investieren wollen. Nebeus bietet aktuell auf der Webseite einen Geschäftskundenkredit von bis zu 2 Millionen US-Dollar und mit einer Laufzeit von einem Jahr zu Zinsen von 8,5 Prozent ohne weitere Bonitätsprüfung an. Allerdings müssen dazu Bitcoin, Ether oder Litecoin in einem Beleihungswert („Loan to Value“) von 65 Prozent als Sicherheit hinterlegt werden.
„Das Segment der Krypto-Kredite für Unternehmen ist bislang sehr überschaubar.“
Im Konsumentenbereich ist das Angebot an Plattformen deutlich größer. Dabei lassen sich zentrale (CeFi, Centralised Finance) von dezentralen Finanzierungsplattformen (DeFi, Decentralised Finance) unterscheiden. Während die zentrale Plattform die Konditionen selbst festlegt, geschieht dies bei dezentralen Plattformen wie Maker DAO, Compound oder Aave durch die Plattformnutzer. Diese stimmen über die Konditionen der Kredite ab, die dann per Smart Contract ausgeführt werden. Allerdings sind die regulatorischen Unsicherheiten höher, da dezentrale Plattformen ohne persönliche Identifikation genutzt werden können und damit nicht dem Anti-Geldwäschegesetz entsprechen. Wichtige Regulierungen zu Steuer und Genehmigung stehen insbesondere im DeFi-Bereich weiterhin aus. Dabei, erläutert Krypto-Experte Manuel Klein von der Deutschen Bank, könnte die Regulierung für DeFi sogar einfacher sein. Denn anders als bei den CeFi-Insolvenzen wie von Voyager sei das Risiko, dass der Intermediär große Klumpenrisiken eingeht, bei den dezentralen Lösungen nicht vorhanden – es gibt keinen Intermediär. „Die vorhandene Regulierung im CeFi-Krypto-Bereich hat offensichtlich nicht funktioniert“, konstatiert Klein.
So groß der Hype ums Lending in der Krypto-Welt auch sein mag, in absehbarer Zeit ist kaum vorstellbar, dass das Angebot für typische mittelständische Unternehmen (und größere) interessant werden könnte. Gründe dafür sind zum einen die regulatorischen Unsicherheiten und die geringe Erfahrung mittelständischer Finanzabteilungen mit Krypto-Währungen. Zum anderen sind das Volumen dieses Marktes und die bislang möglichen Einzelkreditsummen (noch) sehr überschaubar. Vor allem aber: Solange die Kryptowährungen so volatil sind, ist ein Krypto-Kredit für Unternehmen nur schwer planbar, da es überraschend zu einem Margin Call kommen kann. Krypto-Spezialist Manuel Klein von der Deutschen Bank kommentiert: „Klassischen Unternehmen kann man nicht zu einem Krypto-Kredit raten.“ Dennoch bleibt abzuwarten, ob Krypto-Lending sich noch zu einer Finanzierungsalternative entwickelt, mit der kurzfristige Liquiditätsengpässe abgefedert werden könnten. Aber auch dafür müssten sich die Kurse von Bitcoin & Co. wieder etwas stabilisieren und die Hoffnung auf Kurssteigerungen zurückkehren. Und: Mittelständische Unternehmen dürften, so sie denn Krypto-Währungen besitzen, diese eher direkt verkaufen, um mögliche Liquiditätslücken zu schließen, als sie zu behalten und auf Wertsteigerungen zu spekulieren.
10/2022
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.