Was treiben deutsche Unternehmer und CEOs auf den Business-Netzwerken Linkedin und Xing? Leider ziemlich wenig. Nur wenige nutzen die Möglichkeiten der wachsenden Social-Media-Plattformen. Dabei könnten gerade Mittelständler profitieren.
Nicht einmal Wolfgang Grupp. Der Textilunternehmer, der sich in TV-Sendungen nicht rarmacht, hat weder auf Linkedin noch auf Xing ein eigenes Profil. Auch andere medial bekannte Köpfe des Mittelstands wie Iris von Arnim, Dirk Roßmann, Ortwin Goldbeck oder Reinhold Neven DuMont verzichten auf ihre Anwesenheit in den Social-Media-Kanälen. Dabei wachsen die Netzwerke kräftig, allein Linkedin verzeichnet mehr als 15 Millionen registrierte Nutzer in der DACH-Region. Auf Xing sind mittlerweile rund 20 Millionen deutsche Nutzer angemeldet. Damit liegen die beiden Netzwerke zwar weit hinter den Reichweiten von Facebook, Twitter oder Youtube, doch denen fehlt die rein geschäftliche Ausrichtung. Und während einige der ganz großen Netzwerke zumindest in Deutschland ihr Potenzial ausgeschöpft zu haben scheinen, erhielten die Businessnetze durch die Pandemie noch einmal einen ordentlichen Schwung. Xing und Linkedin haben vor allem als Vertriebskanal bei eingeschränkten persönlichen Treffen und Veranstaltungen deutlich an Beliebtheit gewonnen.
Während Xing stark auf das Thema Recruiting ausgerichtet ist, hat Linkedin viele „soziale“ Elemente anderer Social-Media-Netzwerke übernommen und fördert intensiv den inhaltlichen Austausch. Ein zentraler „Stream“ informiert über Neuigkeiten und Inhalte aus dem Netzwerk (und gesponsorte Nachrichten), Interaktion ist erwünscht. Der große Vorteil für Unternehmen und ihre Mitarbeiter: Sie können vollkommen kostenlos veröffentlichen; auch bei der Ansprache weiterer Kontakte lässt zumindest Linkedin auch ohne Abonnement viele Freiheiten. So gelingt es mit überschaubarem Aufwand, schnell 500 und mehr qualifizierte Kontakte zu knüpfen. Für B2C-Unternehmer mögen diese Zahlen gering erscheinen, doch wie viele B2B-Unternehmen haben schon mehr als 500 Kundenkontakte? Zugleich können Unternehmensvertreter ohne größeren Aufwand sehen, welche Veränderungen es bei Kunden und Kontakten gibt – und so einen Aufhänger für weitere Geschäfte finden.
Die attraktivste Möglichkeit für Unternehmer besteht aber darin, selbst Influencer zu werden. Sogenannte Micro oder Business-Influencer unterscheiden sich dabei grundsätzlich von den Influencern auf Instagram & Co, die Produkte bewerben. Der Micro Influencer zeichnet sich durch hochwertige, interessante, teils auch pointierte (Fach-)Inhalte aus, die für das Kontaktnetzwerk relevant sind. Xing lädt gezielt prominente Köpfe ein, sich regelmäßig vor einem breiten Xing-Publikum zu äußern; Linkedin veröffentlicht Ranglisten der wichtigsten Influencer und verbreitet ausgewählte, beliebte Postings auch außerhalb des persönlichen Kontaktekosmos weiter. So haben sich auf Linkedin selbst in engen Markt- und Interessennischen Vordenker und Influencer etabliert, die teils fünfstellige Follower-Zahlen haben. Legal Tech, Insur Tech, Payment & Banking – kaum ein Fachgebiet, das nicht seine Köpfe hat. Diese Influencer können auch außerhalb des Business-Social-Media-Netzwerks bekannt werden; sie werden zum Beispiel gern als Referenten zu Fachveranstaltungen eingeladen. Der Veranstalter erhofft sich davon nicht nur eine Bereicherung des Programms, sondern auch Werbung – wenn der Influencer seine Teilnahme an der Veranstaltung veröffentlicht.
Frank Thelen ist dank TV und Social Media präsent – anders als die meisten Mittelständler.
Während US-Unternehmer wie Elon Musk ihre Followerschaft dazu nutzen, Märkte zu bewegen, sind sowohl deutsche Unternehmer als auch angestellte Manager kaum präsent. Das lässt sich zum einen mit der allgemeinen Zurückhaltung gegenüber Business-Netzwerken in Deutschland begründen: Linkedin hat in der DACH-Region weniger Mitglieder als in Kanada oder Frankreich und fast halb so viele wie in Großbritannien. In den USA, China, Brasilien und Indien zählt das Netzwerk gar ein Vielfaches an Mitgliedern. Zum anderen zeigt sich hier auch die digitale Zurückhaltung vieler „Babyboomer“, die zwar oft Führungspositionen besetzen, aber weiter wenig präsent in digitalen Medien sind.
Doch es tut sich was. Zumindest einige DAX-CEOs haben mittlerweile hinzugelernt. Der kürzlich von der Agentur Palmer Hargreaves veröffentlichte „CEO-Linkedindex“ zeigt, dass insbesondere Herbert Diess von Volkswagen (rund 165.000 Follower auf Linkedin), Telekom-Chef Timotheus Höttges (rund 97.000) und Christian Klein von SAP (über 93.000) sehr präsent sind. Allerdings reichten Post-CEO Frank Appel schon etwas über 20.000 Follower, um in den Reichweiten-Top-10 der Studie zu landen. Und längst nicht jeder prominente DAX-Chef veröffentlicht regelmäßig eigene Beiträge und Einschätzungen.
Ausgewählte Unternehmer und mittelständische CEOs und ihre Linkedin-Präsenz
(Näherungswerte, Stand März 2021, eigene Recherche auf Linkedin)
Lea-Sophie Cramer, Gründerin Amorelie, Investorin |
128.000 Follower |
Verena Pausder, Gründerin u.a. Haba Digital |
58.000 Follower |
Vanessa Weber, CEO Werkzeug-Weber |
9.600 Follower |
Jan-Hendrik Goldbeck, Managing Director Goldbeck |
6.800 Follower |
Björn Waide, CEO Smartsteuer |
6.300 Follower |
Valentin von Arnim, General Manager Iris von Arnim |
1.500 Follower |
Wolfgang Grupp jun. und Bonita Grupp, Trigema |
1.300 bzw. 540 Follower |
Und der Mittelstand? Während die Altvorderen mit Abwesenheit glänzen, zeigt sich mancher Nachfolger prominenter Unternehmer offener: Jan-Hendrik Goldbeck, die beiden Kinder von Wolfgang Grupp oder Konstantin Neven DuMont haben ein größeres Kontaktnetz aufgebaut. Oft sind es aber andere, bislang weniger bekannte Unternehmer und Geschäftsführer aus dem Mittelstand, die Linkedin für sich zu nutzen wissen: Smartsteuer-CEO Björn Waide, als eine der deutschen Top-25-Stimmen 2020 von Linkedin ausgezeichnet, hat rund 6.300 Follower. Vanessa Weber, CEO bei Werkzeug-Weber liegt bei knapp 10.000 Kontakten. Überhaupt: Unternehmerinnen und weibliche CEOs sind offenbar besonders aktiv. Multi-Gründerin Verena Pausder und Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer spielen ganz weit vorne mit – vor manchem CEO. Diese Influencer(innen) haben ihren eigenen Namen zur Marke gemacht und sind ihrer Kohorte (fast) so bekannt wie Wolfgang Grupp.
hat Unternehmerin Lea-Sophie Cramer allein auf Linkedin.
Mit der Ich-Marke etablieren sie als Autoren, Key-Note-Sprecher und Gastautoren ein weiteres geschäftliches Standbein neben dem ursprünglichen Geschäft, manche treiben auch gesellschaftliche Veränderungen voran. Zugleich profitieren die Unternehmen von ihrer Präsenz. Verena Pausder postet über Themen wie Schule und Digitalisierung, eine gemeinsame Diskussionsrunde, ein neues Buchprojekt und das Unternehmensjubiläum. Der wahrscheinlich reichweitenstärkste Linkedin-Influencer ist aber der Investor Frank Thelen, der es auch zu TV-Prominenz brachte. Er hat über 350.000 Follower. Eventure-Partner und Investor Christian Miele, Urenkel des Miele-Gründers Carl, kommt immerhin noch auf mehr als 34.000 Kontakte.
Der Aufbau und die laufende Pflege erfordern natürlich Zeit. Zwar können Agenturen und Mitarbeiter viel Arbeit abnehmen, aber je authentischer die Kommunikation sein soll, desto wichtiger ist der persönliche Einsatz des Absenders. Diesen Zeitaufwand scheuen viele Entscheider aus naheliegenden Gründen. Dennoch geht es heute und erst recht in Zukunft nicht ohne Kommunikation in sozialen Netzen: Unternehmer geben ihrem Haus ein Gesicht. Werte und Entwicklungen werden konkret – für Kunden, Mitarbeiter und auch künftige Mitarbeiter. Und anders als im TV oder in der Printpublikation zeigt der Unternehmer im Netzwerk, dass er sich immer auch dem Dialog stellt. So fruchtlos der manchmal in der Praxis auch sein mag, wird dadurch jedem deutlich: Hier wird moderne Führung umgesetzt. Wer mittelständische Unternehmer mit ihrer direkten, klaren Sprache persönlich erlebt hat, bedauert, dass nur so wenige das auch online umsetzen. Wolfgang Grupp könnte sich auf Linkedin ganz neue Zielgruppen erschließen.
03/2021
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.