2024 hat die Entwicklung humanoider Roboter einen großen Entwicklungsschritt gemacht. In diesem Jahr könnten sie in Serie gehen. Über den aktuellen Stand und die möglichen Einsatzgebiete.
In diesem Jahr könnte Robotern in „Menschengestalt“ der Durchbruch gelingen. Dank KI haben Humanoide zuletzt große Fortschritte gemacht. Foto: picture alliance/dpa/HPIC
Seit dem vorigen Jahr wissen wir, dass Roboter Salto springen, boxen und 100 Meter in 10 Sekunden laufen können. Videos aus chinesischen und US-amerikanischen Forschungs- und Entwicklungslaboren sorgen auf Social Media regelmäßig für Erstaunen. Und manchmal auch für einen kalten Schauer, so wie die militärisch einsetzbaren Roboterhunde. Einerseits zeigen sie die enormen Fortschritte, die die Maschinen zuletzt vor allem durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz gemacht haben. Damit können Roboter ihr Verhalten sehr viel schneller anpassen und quasi selbstständig lernen und situativ reagieren, statt aufwendig für jeden Schritt programmiert und trainiert zu werden.
Sie können nun (fast) wie ein Mensch gehen, Dinge aufheben, schnell ausweichen und ihr Gleichgewicht finden. Vor wenigen Jahren war das kaum möglich, zu komplex war allein das menschliche Gehen. Andererseits wirken die massigen Roboter auch heute noch behäbig: Was einem jungen Menschen mit ein wenig Übung leicht von der Hand geht, ist bei den Maschinen erst gerade so möglich. Doch wie in so vielen Entwicklungsbereichen gilt auch hier: Roboter werden nie wieder so schlecht sein wie heute. Trotzdem liegt die Frage nahe: Warum nur machen es sich die Entwickler so schwer, indem sie versuchen, Roboter wie Menschen zu gestalten? Vierbeiner oder rollende Maschinen sind viel einfacher zu entwickeln, und Industrieroboter sind Menschen schon lange in der professionellen Anwendung überlegen.
Humanoide Roboter haben drei entscheidende Vorteile: Sie können ohne größere Umbauten relativ einfach in bestehende Infrastrukturen und Umgebungen wie Büros, Haushalte oder Fabriken integriert werden. Sie können außerdem bestehende Werkzeuge und Geräte, die bereits für den menschlichen Anwender entwickelt worden sind, direkt einsetzen. Und schließlich erleichtert die Menschenähnlichkeit eine einfachere Interaktion zwischen Mensch und Maschine, denn Menschen können intuitiv Bewegungen und Verhaltensweisen dieser Roboter vorhersagen und verstehen. All das wird die Akzeptanz der Roboter in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen erleichtern.
Zugleich sind die Vorteile dieser Maschinen einfach zu erkennen und ihre Produktivität zu messen: Sie können (wie andere Roboter auch) in Umgebungen eingesetzt werden, die für Menschen sehr gefährlich sind – ob Weltall (Vyommitra von der Indian Space Research Organisation), Tiefsee (OceanOne, Stanford Universität) oder Katastrophengebiet. Sie können ohne Pausen, bei konstanter Präzision und exaktem Krafteinsatz arbeiten. So sind sie bei sensiblen Produktionsschritten künftig schneller bei gleichzeitig geringerem Ausschuss. In Zukunft könnten sie außerdem eine Antwort auf den demographischen Wandel sein, ob in der Pflege, im Service, für Lagerarbeiten oder als Haushaltshilfe und mehr.
Spannende Informationen und relevante Themen aus der Wirtschaft und Finanzwelt in kompakter Form für Ihren unternehmerischen Alltag und für Ihre strategischen Entscheidungen.
Wir machen Wirtschaftsthemen zu einem Erlebnis.
Die Unternehmensberatung Horváth erwartet, dass sich die Investition in einen humanoiden Roboter bereits nach 1,36 Jahren auszahlen wird. Dabei gehen die Berater von einem anfänglichen Anschaffungspreis von 80.000 Euro bis 120.000 Euro aus. Einige sind aber auch schon für 16.000 Euro zu haben, andere kosten hingegen 150.000 Euro. Noch ein Jahr zuvor lagen die Preise rund 80 Prozent höher.
Hinzu kämen 4.000 Euro für Wartung und Instandhaltung im Jahr, rechnet Horváth vor. Werden die Roboter aber in großen Stückzahlen gefertigt, könnte der Beschaffungspreis bis 2030 sogar auf unter 50.000 Euro sinken. Angesichts dieser Zahlen dürften sich die Roboter rasch verbreiten. Da in den kommenden Jahren auch die Software – vor allem die KI – weitere Entwicklungsfortschritte machen wird, dürften die Roboter immer produktiver werden und variabler eingesetzt werden können.
Bei den Humanoiden ist momentan nach spätestens 5 Stunden der Akku leer.
Problem Akkulaufzeit
Doch manche bezweifeln, dass es mit der Marktdurchdringung wirklich so schnell gehen wird. Denn es gibt weiterhin deutliche Einschränkungen. Ein Problem ist die geringe Akkulaufzeit von nur rund vier bis fünf Stunden. Ein anderes, dass bestimmte Spezialschleifmaschinen, die zur hochpräzisen Fertigung benötigt sind, wegen langer Herstellzeiten nicht ausreichend verfügbar sind. Auch ist das Verständnis der Roboter von der umgebenden Welt noch beschränkt, so dass sie bestimmte Situationen noch nicht korrekt einschätzen können – vor allem, wenn es ungewohnte, komplexe und schnelle Veränderungen gibt.
Doch die Menschenroboter kommen schon jetzt testweise in der Fertigungspraxis zum Einsatz. Der deutsche Autohersteller BMW hat in seinem US-Werk bereits den „Figure 02“ (F.02) von Figure AI im Karosseriebau getestet. Der Roboter hat erfolgreich Blechteile in spezielle Vorrichtungen eingelegt, die für die Karosseriezusammenführung benötigt werden. Ein Arbeitsschritt, der besondere taktile Fähigkeiten erfordert. Das Ziel des bayerischen Autobauers: Eine sichere Integration von humanoiden Robotern dort, wo ergonomisch ungünstige und ermüdende Arbeiten bislang allein von Menschen durchgeführt werden konnten.
Auch Wettbewerber Mercedes-Benz erprobt den Einsatz von Robotern. Im ungarischen Werk Kecskemét kommt der „Apollo“ von Apptronik in der Intralogistik zum Einsatz. Dort sei die Personalfluktuation wegen der repetitiven, ermüdenden Arbeiten hoch, neue Mitarbeiter müssten permanent angelernt werden. Auch in der Qualitätskontrolle könnten die 1,70 Meter großen und 75 Kilogramm schweren Roboter eingesetzt werden. Handelsriese Amazon testet ebenfalls „Apollo“ in seinen Lagerhäusern. Das Logistikunternehmen GXO Logistics nutzt den „Digit“ von Agility Robotics testweise in einem Lager in Connecticut, wo die Roboter Lastwagen entladen und Pakete transportieren.
China ist ebenfalls weit vorne in der praktischen Erprobung humanoider Roboter. E-Auto-Hersteller Nio testet den „Kuavo“-Roboter von Leju Robotics, der mit dem von Huawei entwickelten Betriebssystem HarmonyOS läuft. Zuvor hatte Nio bereits den „Walker S“ von UBTech Robotics in seiner Fabrik trainiert. Der „Walker S“ brachte Fahrzeuglogos an und überprüfte unter anderem die Qualität von Türschlössern, Sicherheitsgurten und Scheinwerferabdeckungen. Bald könnte der „Walker S“ auch im deutsch-chinesischen Auto-Joint-Venture FAW VW zum Einsatz kommen.
War 2024 das Jahr der Praxistests, könnte 2025 erstmals den „industriellen“ Einsatz von Menschenrobotern sehen. Tesla hat angekündigt, mehr als 1.000 seiner Optimus-Roboter in den eigenen Fabriken einzusetzen. Auch Figure AI hat den F.02 bereits an einen kommerziellen Kunden ausgeliefert, wo dieser sich im Arbeitsalltag behaupten muss. Und das chinesische Startup Agibot von Zhiyuan Robotics hat nach eigenen Angaben bereits fast 1.000 Einheiten seiner humanoiden Roboter hergestellt. Im Vergleich zu stationären Robotern oder einfachen mobilen Robotern zum Beispiel in der Gastronomie sind das noch überschaubare Produktionszahlen. Aber das kann sich schon in diesem Jahr ändern.
Als erster elektrisch betriebener Humanoid in voller Größe erreichte der H1 des chinesischen Herstellers Unitree eine Humanoid-Rekordgeschwindigkeit von 3,3 Metern in der Sekunde (ca. 11,9 km/h) und führte als Erster einen Rückwärtssalto aus dem Stand vor. Der H1 wird für weniger als 90.000 US-Dollar angeboten.
Der „Figure 02“ von Figure AI verfügt über Hände mit 16 Freiheitsgraden und kann damit komplexe Aufgaben fast wie ein Mensch erledigen. (Die menschliche Hand verfügt über insgesamt 27 Freiheitsgrade.)
Der „Astribot S1“ von Stardust Intelligence aus China kann ein Tischtuch unter einem Stapel Gläser wegziehen (ohne, dass dieser umkippt) und Bewegungen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 10 m/s ausüben.
02/2025
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder.