Cash is Queen?

Digital Wallets wie Apple Pay, Paypal oder Amazon Pay versprechen mehr Komfort beim Bezahlen. Doch eine Mehrheit der Deutschen lehnt sie bislang ab. Das könnte sich ab Jahresmitte ändern – und Auswirkungen auf E-Commerce, stationären Handel und Restaurants haben.

Schnell mit dem Mobiltelefon bezahlt. Doch in Deutschland ist das mobile Bezahlen per Digital Wallet noch längst nicht so populär wie in anderen Ländern.

Schnell mit dem Mobiltelefon bezahlt. Doch in Deutschland ist das mobile Bezahlen per Digital Wallet noch längst nicht so populär wie in anderen Ländern. Foto: picture alliance / AP | Salvador Melendez

In der Hochphase der Corona-Pandemie entdeckten viele Deutsche (doch noch) die Vorteile kontaktloser Zahlung: Schnell mit der EC-Karte, dem Smartphone oder der Smartwatch bezahlen, ohne lange Begegnungen oder Berührungen, das versprach ein niedrigeres Infektionsrisiko. Tatsächlich hat sich der langsame Trend, vom Bargeld auf digitale Bezahlung umzusteigen, in der Zeit deutlich beschleunigt. Die bisherige Faustregel „Jährlich wechselt 1 Prozent von Cash zu Digital“ galt nicht mehr: 2022 nutzten 61 Prozent der Deutschen kontaktloses Zahlen, 2022 waren es laut GfK-Umfrage „Bezahlen als Teil des Einkaufserlebnisses 2022“ bereits 66 Prozent. Doch im internationalen Vergleich hängt Deutschland auch hier bei der Digitalisierung hinterher.

Was sind Digital Wallets?

Digital Wallets sind digitale Abbilder physischer Portemonnaies, die dem Kunden erweiterte Zahlungsdienste ermöglichen wie Zahlungen direkt von ihren mobilen Endgeräten aus zu tätigen. Kunden können Zahlungsinformationen wie Kredit- oder Debitkarten in einer digitalen Wallet-App speichern und Zahlungen bequem per Smartphone, Smartwatch oder auch Internetbrowser auslösen.

Digital Wallets punkten mit Komfort und Geschwindigkeit. Anders als physische Karten oder Bargeld können sie nicht verloren werden, weil alle Zahlungsinformationen in einer App gespeichert sind und gegebenenfalls auf ein anderes Endgerät übertragen werden können.

In Deutschland akzeptieren viele stationäre Händler und Geschäfte bislang allerdings keine Digital Wallets, da diese eine Mastercard oder Visa-Akzeptanz voraussetzt. Die Einbindung in die Kreditkartensysteme ist vielen Händlern und Gastronomen aber noch immer zu teuer. Auch scheuen viele Konsumenten aus Sicherheits- und Datenschutzbedenken vor der Nutzung der digitalen Portemonnaies zurück.In Deutschland sind verschiedene Anbieter von Digital Wallets aktiv. Bei den mobilen Lösungen ist Apple Pay führend. Im Onlinehandel ist PayPal Marktführer. Aber auch Google Pay, Samsung Pay, AliPay und bankeigene Wallet-Lösungen sind bereits auf dem Markt. Die Akzeptanz von Digital Wallets in Deutschland wächst langsam, aber sie sind noch nicht so weit verbreitet wie in einigen anderen Ländern.

So hatte 2022 (GfK-Umfrage im Auftrag von Mastercard) erst etwa jeder Vierte mindestens einmal per Smartphone oder Smartwatch mobil gezahlt und selbst in der Gruppe der digitalaffinen 18-29jährigen nur eine Minderheit. Laut Statista Global Survey liegt der Wert insgesamt jedoch erst bei 13 Prozent. In China nutzen demnach hingegen etwa vier von fünf Einwohnern „mobile Payment“, in Indien etwa 70 Prozent. In den USA liegt der Wert allerdings auch nur bei 18 Prozent. Für die Digital-Abstinenz der Deutschen gibt es viele Gründe: Das Vertrauen in Bargeld ist höher, die Bedenken in Sachen Datenschutz und Sicherheit weiterhin groß. Zugleich ist Bargeld leicht verfügbar und wird überall als Zahlungsmittel akzeptiert. Zudem sind Euro-Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel – es gibt damit auch keinen Schub des Regulators in Richtung elektronischer Zahlungsmittel. Die bestehenden Netzlücken im mobilen Highspeed-Internet vergrößern zudem die Sorge, im Notfall nicht „zahlungsfähig“ zu sein. Und schließlich gibt es zahlreiche Restaurants und Einzelhändler, die allein Girocard (umgangssprachlich EC-Karte genannt) als digitales Zahlungsmittel akzeptieren. Mobiles Zahlen auf Basis von Girocard steckt noch in den Kinderschuhen. Laut Bundesbank wurden 2020 neun von zehn Transaktionen an der Ladenkasse mit Bargeld (61 Prozent) oder Girocard (30 Prozent) bezahlt. Mit Kreditkarte wurden nur in 6 Prozent der Fälle gezahlt.

Alte Vorurteile, neue Vorteile

Dabei zeigt die Empirie, dass digitale Bezahlmethoden keinesfalls unsicherer sind. Digitales Geld kann nicht aus der Hosentasche fallen und es gibt keine Probleme mit Wechselgeld. Auch muss dank NFC-Verfahren keineswegs überall schnelles mobiles Internet verfügbar sein, um mit Smartphone oder Smartwatch zahlen zu können. Das Problem mangelnder Netzabdeckung ist technisch bereits gelöst. Hinzu kommt, dass digitales Zahlen die Transparenz von Ausgaben erhöht und Barrieren beim Zahlen abbaut.

In China nutzen etwa vier von fünf Einwohnern „mobile Payment“, in Indien etwa 70 Prozent.

Nur: Um diese Vorteile nutzen zu können, braucht es kein Digital Wallet – eine Girocard mit entsprechendem NFC-Sender, wie er heute Standard ist, reicht. Ein Digital Wallet, wie es für mobiles Zahlen notwendig ist, setzt hingegen auf einer ganz anderen Zahlungsinfrastruktur auf. Entscheidend ist hierbei die sogenannte 16-stellige Kartennummer (PAN, „Primary Account Number“), die alle bekannten Digital Wallets nutzen. Kreditkarten verfügen über diese PAN-Nummer, die weitverbreiteten Girocards hingegen integrieren meistens die Maestro-Funktionen. Das heißt, sie erlauben damit Auslandszahlungen über das Maestro-System, das Mastercard für den europäischen Markt entwickelt hatte. Nur mit größerem Aufwand lassen sich diese kombinierten Girocard/Maestro-Karten in Digital Wallets integrieren. 

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Der Maestro-Sunset kommt

Doch mit der Abschaffung des Maestro-Systems durch Mastercard zur Jahresmitte 2023 werden künftige Debitkarten auf dem PAN-System der Kreditkarten aufbauen. Danach werden keine neuen Maestro-Karten ausgestellt, die bestehenden behalten allerdings noch bis zum Ende der „Kartenlaufzeit“ ihre Gültigkeit. Jan Lisaus, Payment-Experte der Deutschen Bank erwartet, dass „der so genannte Maestro Sunset Digital Wallets einen Schub geben wird.“ Denn die Integration der neuen Debitkarten in Digital Wallets sei problemlos. Zwar können Kunden auch weiterhin allein eine Girocard zum Bezahlen nutzen, doch ohne Maestro-Funktion ist sie im Ausland nicht nutzbar. Statt einer relativ teuren Kreditkarte können zudem Mastercard- oder Visa-Debitkarten genutzt werden, die wie die Girocard keinen Kredit gewähren, sondern jede Transaktion einzeln abrechnen. Die Karten können weiterhin von Banken ausgegeben werden, doch profitieren dann Mastercard und Visa stärker von der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über Debitkarten.

„Der so genannte Maestro Sunset wird Digital Wallets einen Schub geben.“

Jan Lisaus, Deutsche Bank

Von einer stärkeren Nutzung digitaler Wallets dürfte auch der Online-Handel profitieren. Denn nun können auch die neuen Debitkarten zur Registrierung in Digital Wallets verwendet werden. Lange wurden nur Kreditkarten als Zahlungsmittel für Online-Transaktionen akzeptiert. Wer nicht Paypal nutzte, – das, wenn nicht eine Kreditkarte hinterlegt wurde, direkt mit dem Konto verbunden wurde – hatte kaum eine andere Möglichkeit, als mit der Kreditkarte zu bezahlen. Erst in den vergangenen Jahren haben Buy-Now-Pay-Later-Anbieter wie Klarna das Geschäft mit der Bestellung auf Rechnung online populär gemacht. Die Anbindung an Digital Wallets senkt gerade bei Erst- oder Gelegenheitskäufern eines Online-Händlers die Hemmschwelle des Kaufs. Denn Konsumenten möchten sich ungern immer wieder aufs Neue registrieren und weniger bekannten Online-Händlern ihre Kreditkarten-Details mitteilen. Mit einem vertrauten Namen wie Amazon Pay oder Apple Pay ist das nicht notwendig.

Auch der stationäre Handel (sowie das Gastgewerbe) könnte von Digital Wallets profitieren – trotz möglicherweise steigender Kosten: Einmal beim Kunden eingerichtet sind Digital Wallets extrem komfortabel. „Der Zahlvorgang ist quasi unsichtbar, weil er kaum mit Aufwand für den Kunden verbunden ist“, erläutert Lisaus. Eins ändert sich allerdings nicht: In vielen Fällen wird der Kunde für den stationären Händler ebenso „anonym“ bleiben wie bislang. Denn die Mehrzahl der Kundendaten wird der Digital-Wallet-Anbieter für sich behalten. Dazu bräuchte der Händler schon sein eigenes Digital Wallet.

02/2023
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder. 

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