Unerwartete Technikflops (und ein erstaunlicher Erfolg)

Wer hätte gedacht, dass der Selfiestick weltweit zum Accessoire vieler Touristen wird, während ein audiophiler iPod-Konkurrent scheitert? Ein Blick auf überraschende Innovationserfolge und -pleiten – und ihre Gründe.

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DVD Camcorder waren zu ihrer Zeit durchaus eine Innovation. Durchgesetzt haben sie sich aber nie – zu schnell wurden die DVD von neuen Speicherformaten ersetzt. Foto: picture-alliance / dpa / Yoshikazu_Tsuno

Juicero: die 700-Dollar-Saftpresse

Nüchtern betrachtet war diese Innovation von Anfang an zum Scheitern verurteilt: Für mehrere Hundert US-Dollar sollte man ein Gerät erwerben, mit dem man Fruchtstücke in einer Tüte (für je fünf US-Dollar) zu frischem Saft pressen konnte. Doch Nespresso und Dollar Shave Club hatten gezeigt, wie erfolgreich die Kombination aus exklusiver Hard-ware und regelmäßig benötigtem Verbrauchsmaterial sein kann. Und so investierten unter anderem Google und die Campbell Soup Company 120 Millionen US-Dollar in das Start-up. Dann zeigte ein Journalist, dass sich die Fruchtstücke in den Tüten per Hand schneller und vor allem günstiger auspressen ließen; es brauchte die exklusive Hardware gar nicht. „Eine Lösung für reiche Menschen, die schlechter ist als das Problem“, lautete sein Fazit. Nach 16 Monaten war für das Unternehmen Schluss. Es hatte trotzdem mehr als eine Million Tüten verkauft.

Foto: Juicero

Das geht auch günstiger: Juicero wurde der Saft bald abgedreht. Foto: Juicero

Selfiestick: Armverlängerung für Narzissten

Der Selfiestick ist mittlerweile so beliebt, dass er an vielen Orten verboten ist. Ob in Museen oder auf Konzerten – es sind einfach zu viele geworden. Wenige wissen, dass die Kamera-Verlängerungsstange schon Anfang der Achtzigerjahre in Japan erfunden wurde. Einem Minolta-Entwickler war im Europaurlaub die Kamera gestohlen worden, als er einen Jungen um ein Foto von sich und seiner Frau gebeten hatte. Doch sein „Extender Stick“ floppte. Vor allem Frauen behagte es nicht, sich selbst zu fotografieren. Rund 20 Jahre später entwickelte ein Kanadier unabhängig davon seinen „Quik Pod“, denn auch er hatte in Europa Schwierigkeiten gehabt, Fotos mit sich und seiner Tochter aufnehmen zu lassen. Beim zweiten Mal wurde die Erfindung ein Erfolg, auch weil die Kameras inzwischen viel leichter waren und Objektive mit wenig Abstand zum Motiv bessere Bilder machten. Nicht zuletzt dank Social-Media-Plattformen wie Instagram ist der Selfiestick heute für viele Touristen unverzichtbar.

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Überwindet Kulturen und Landesgrenzen: Wer sich selbst im Foto haben möchte, nutzt den Selfiestick. Foto: picture alliance / imageBROKER / Karl F. Schöfmann

Zune und Pono: die besseren iPods?

Fünf Jahre nach Erscheinen des ersten Apple iPods brachte Microsoft einen eigenen portablen Musikplayer auf den Markt: Zune. Der Sound klang besser, und das Gerät war einfach zu bedienen, dennoch konnte es sich nie durchsetzen. Das lag zum einen am Timing, weil sich der iPod in den Jahren zuvor als Standard etabliert hatte. Vor allem aber fehlte dem Zune der entscheidende Leistungsvorteil gegenüber der Apple-Konkurrenz. Entsprechend konfus war auch das Marketing, sodass schließlich vor allem jene den Zune kauften, die bewusst keinen iPod haben wollten. Ähnlich erging es dem PonoPlayer, einer audiophilen iPod-Alternative. Rockstar Neil Young hatte sich über die schlechte Klangqualität der stark komprimierten Musikdateien geärgert und mit Pono auch gleich ein Downloadportal mit hochaufgelöster Musik vorgestellt. Doch weil die Musikverlage den doppelten bis dreifachen Preis gegenüber einem MP3-Musikstück verlangten, war das Interesse gering. Da zudem das Zeitalter des Streamings begonnen hatte, blieb der Pono nicht lange am Markt. 

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Guter Sound, schlechter Zeitpunkt: Bill Gates’ iPod-Konkurrent Zune. Foto: picture alliance / AP / Ted S. Warren

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Google Glass: die Nerdbrille

Als Google 2013 die Smartbrille „Google Glass Explorer“ herausbrachte, waren die ersten Rezensionen sehr positiv. Die Brille hatte eine Kamera, ein Mikrofon und Lautsprecher sowie ein Display, das Kurznachrichten, Wettervorhersagen oder Navigationsanweisungen anzeigen konnte. Doch als das Produkt ein Jahr darauf für den Massenmarkt angeboten wurde, tat sich wenig. Mit einem Preis von 1000 US-Dollar blieb die Brille teuer und von überschaubarem Nutzen – denn ein Smartphone konnte alles, was auch Google Glass konnte. Außerdem sah die Brille nicht cool aus. Auch wenn Google mit Designer-Kooperationen gegenzuhalten versuchte, blieb es doch eine nerdige „Cyborg“-Brille. Ab 2017 bot Google die Brille nur noch für professionelle Spezialanwender wie Mediziner an, im März 2023 wurde der Verkauf ganz eingestellt. Smartwatches hingegen haben sich am Markt etabliert. Auch sie bieten auf minimalem Display vieles an, was das Smartphone kann, mit einem erheblichen Unterschied: Sie können Gesundheitsdaten genau erfassen und passen dadurch sehr gut zu den Megatrends Fitness und Körperbewusstsein. Doch die Brille feiert ein Revival: Apple stellte jüngst eine eigene smarte Variante vor. Die „Vision Pro“ wird ab 3500 US-Dollar kosten und erinnert an eine Skibrille.

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Für die Allgemeinheit zu uncool, wurden Google Glasses bald nur für Spezialanwender wie Ärzte vermarktet. Foto: picture alliance / dpa / Marcial Guillén

Sony Vaio Mouse Talk: das Telefon in der Maus 

Die Idee war charmant: eine Computermaus, die zugleich als Telefon für Skype-Anrufe dient. Dazu konnte sie wie ein Klapphandy (mit Kabel) geöffnet oder geschlossen als Freisprecher genutzt werden. Wenn man nicht telefonierte, war sie eine normale Maus. Doch was für einen aufgeräumten Schreibtisch sorgen sollte, erwies sich in der täglichen Anwendung als unpraktisch: Wer telefonierte, konnte seinen Computer nicht richtig bedienen. Schon ein Eintrag in den elektronischen Kalender wurde zur Geduldsprobe. Im Büroalltag war sie daher untauglich und floppte am Markt.

Foto: Getty Images / AFP / Yoshikazu Tsuno

Ist es eine Maus? Ist es ein Handy? Es ist beides. Und ziemlich unpraktisch. Foto: Getty Images / AFP / Yoshikazu Tsuno

01/2024
Chefredaktion: Bastian Frien und Boris Karkowski (verantwortlich im Sinne des Presserechts). Der Inhalt gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers (Deutsche Bank AG) wieder. 

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