Theresa Stoll: Das war total unspektakulär. Wir waren im Trainingslager nach unserem Heim-Grand-Slam in Düsseldorf. Als wir uns gerade einen Kaffee holen wollten, haben wir den Bundestrainer getroffen und er hat es uns dann einfach gesagt. Danach haben wir uns fertig gemacht und sind ins Training gegangen (lacht).
Amelie Stoll: So wirklich feiern konnten wir das nicht, wir waren ja mitten im Trainingslager. Zumal davor schon relativ klar war, dass die Entscheidung so ausfallen würde.
Theresa Stoll: Das Hauptproblem ist die Planung. Wir wissen nicht, wann die nächsten Wettkämpfe stattfinden, wann wir wieder ins Trainingslager können und wie die Qualifikation – die ja noch nicht komplett abgeschlossen ist – weitergeht. Trotzdem versuchen wir, fit zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen. Ich versuche immer noch mal, ein bis zwei Prozent mehr rauszuholen. Zusätzlich arbeite ich mit einem Mental-Coach. Da geht es um bestimmte Probleme, die in Wettkämpfen auftreten können. Hinzu kommen viele Video-Analysen zusammen mit dem Trainer.
Lorenz Trautmann: Das Training verändert sich deutlich. Wir bereiten uns gezielt auf die Gegner vor, mit denen wir bei den Spielen in Tokio rechnen müssen. Da einige Wettkämpfe der Qualifikation noch nicht stattgefunden haben, wissen wir nicht genau, welche Gegner kommen. Wir können uns an der Weltrangliste orientieren, die sich an vielen Stellen mit der Olympialiste überschneidet. Grundsätzlich wollen wir die Stärken von Theresa weiter ausbauen, und deshalb ist es für uns eigentlich kein Nachteil, ein Jahr länger trainieren zu können. Theresa wird nächstes Jahr noch besser sein.
Lorenz Trautmann: Sie bringt extreme Schnelligkeit und ideale körperliche Voraussetzungen für unsere Disziplin mit. Dadurch kann sie kleinere Schwächen bei den Gegnern sehr gut ausnutzen. Eine ganz große Stärke ist aber auch, wie positiv, wie angriffslustig sie in jeden Kampf hineingeht. Gerade dieser Glaube an sich selbst ist bei den großen Wettkämpfen absolut entscheidend.
Theresa Stoll: Für einen Sportler ist es einfach DAS größte Ziel, bei den Spielen antreten zu dürfen. Es geht um einen Tag innerhalb von vier Jahren, an dem man topfit sein muss. An dem man alles, was man die Jahre vorher trainiert hat, abrufen muss. Der Medienrummel bei den Spielen ist ebenfalls enorm. Da muss man bei sich bleiben, muss konzentriert bleiben.
Theresa Stoll: Nein, eher im Gegenteil. Wenn wir die Krise überwunden haben, werden wir das Gemeinschaftsgefühl und die tollen Emotionen, die die Spiele in uns allen auslösen, noch viel mehr zu schätzen wissen.
Amelie Stoll: Für das gesamte Frauen-Judo-Team dürfen zwei Trainingspartnerinnen mitfahren. Ich bin eine davon. Wahrscheinlich werde ich auch direkt vor jedem Wettkampf Theresas Aufwärm-Partnerin sein. Das macht mich stolz.
Theresa Stoll: Alles hat sich geändert! Wir hatten vor, zwei Wochen in Japan zu trainieren – das wurde abgesagt. Wir sind momentan zuhause in München und im Training auf uns alleine gestellt. Unsere Judohalle wurde geschlossen.
Amelie Stoll: Die offizielle Qualifikationsphase für die Spiele in Tokio geht eigentlich noch bis Ende Mai. Bis dahin hätten noch viele Turniere stattfinden sollen, aber die Internationale Judo-Föderation hat erstmal alle Wettkämpfe bis Ende April gestrichen. Inoffiziell haben wir auch schon gehört, dass bis Anfang September alles ausgesetzt wird.
Amelie Stoll: Athletik, Kraft- und Zirkeltraining können wir problemlos machen, aber Judo ohne Körperkontakt ist praktisch unmöglich. Bevor das bundesweite Kontaktverbot galt, konnten wir noch in einer kleinen Gruppe arbeiten, die unser Trainer für uns zusammengestellt hat. Nun können wir aufgrund der Ausgangsbeschränkung nur noch zu zweit trainieren.
Lorenz Trautmann: Wir hätten gerne gesehen, dass jeder getestet wird. Das ist aber unter den derzeitigen Bedingungen nicht möglich. Ich war der Einzige, der sich testen lassen konnte – warum, wissen wir nicht genau. Wir hoffen, dass hier bald Klarheit geschaffen wird.
Lorenz Trautmann: Nein, wir sind alle voll dabei. Wir sind froh, uns mit dem Sport etwas von dem allgemeinen Wahnsinn ablenken zu können. Wir wissen aber nicht, was passiert, wenn die aktuelle Situation noch deutlich länger andauert. Momentan sind wir froh, überhaupt noch trainieren zu können. Unser größtes Problem ist derzeit zum Glück tatsächlich, dass wir weder kurz- noch langfristig planen können.
Theresa Stoll: Das ist enorm wichtig für mich. Es gibt mir das Gefühl, dass wir trotz der chaotischen Situation einen festen Plan haben, mit dem wir die Olympia-Vorbereitung gut organisieren können.
Theresa Stoll: Ursprünglich wollte ich im Sommer ein Urlaubssemester nehmen, werde nun aber stattdessen versuchen, einige Prüfungen abzulegen, die mir noch fehlen. Zusätzlich habe ich noch einige offene Kurse, Seminare und Praktika, für die ich einzelne Fehltermine nachholen muss. Aber da zurzeit auch alle Pflichtveranstaltungen an der Uni ausgesetzt sind, ist nicht klar, wann ich das machen kann.
Ja, ich hatte zwar ebenfalls ein Urlaubssemester geplant, werde nun aber auch einige Prüfungen nachholen. Außerdem versuche ich, ein Praktikum zu organisieren, das auch ein Teil meines Studiums ist. Das ist momentan aber natürlich auch sehr schwierig und von vielen Faktoren abhängig.
Theresa Stoll: Schränkt eure sozialen Kontakte so gut es geht ein und minimiert die Risikofaktoren. Bewegt euch und geht auch mal raus an die frische Luft!
Lorenz Trautmann: Die große Gefahr ist, dass jetzt irgendwelche Schuldigen gesucht werden. Dabei sollten wir nun zeigen, dass wir zusammenstehen können und dass es echte Solidarität gibt.