Interview: Claudio Rimmele / Qiio Magazin
Ich glaube, da bin ich eher so reingewachsen. Ich habe schon früh mit dem Schwimmsport begonnen, mit sechs oder sieben Jahren. Man startet mit vielleicht zwei Trainings pro Woche und steigert sich dann. Je nachdem, in welche Trainingsgruppe man kommt, steigt man auf und trainiert entsprechend mehr. Als meine Familie nach Würzburg zog, wurde das Training noch intensiver. Dadurch habe ich mich sehr schnell verbessert und es kamen schnell die ersten Erfolge wie z. B. Bayerische Jahrgangsmeisterin zu werden. Kurze Zeit später habe ich mich für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert und sie dann auch gewonnen. Wenn man erfolgreich ist, dann bleibt man dabei. Es macht Spaß, Erfolge zu feiern und Bestzeiten zu schwimmen.
Ich war bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio eigentlich Beckenschwimmerin. Ich habe mich damals für die Höhepunkte qualifiziert: WM, EM, Olympische Spiele. Aber dort konnte ich nie meine Bestleistung abrufen. Nach Rio habe stand ich vor der Wahl, entweder aufzuhören oder etwas Neues auszuprobieren – und das war dann Freiwasser. Mit Thomas Lurz hatte ich einen erfahrenen Freiwasserschwimmer in der Trainingsgruppe. Also war klar, dass ich früher oder später mal beim Freiwasser reinschnuppern würde. Mein Ziel war es, mich 2020 für die Olympischen Spiele zu qualifizieren und so habe ich die Sportart gewechselt.
Die längste Strecke des Trainings waren glaube ich zwölf Kilometer. Aber es gibt natürlich Strecken, wo die Bedingungen sehr hart sind. Das härteste Rennen war Portugal dieses Jahr. Es war heiß, sehr wellig und es gab eine sehr starke Strömung - das war Freiwasser pur. Wir hatten alle ganz schön Angst vor dem Rennen, weil die Wellen so hoch waren. Dadurch ziehen sich vier Kilometer natürlich extrem in die Länge.
Genau. Während des Wettkampfes hat sich auch die Strömung geändert. Ich hatte aber zum Beispiel auch mal ein Rennen, wo ich die Woche davor einen Magen-Darm-Virus hatte und mein Körper geschwächt war. Wenn der Körper keine Energie hat, fühlen sich zehn Kilometer echt hart an.
Nein. Schwimmen ist ja nicht so wie Segeln oder Formel 1, wo man jedes Jahr etwas anpassen kann oder auch muss. Man hat den Wasserwiderstand, den man auch nicht ändern kann. Es ist eine sehr harte Sportart, bei der der Körper trainiert werden muss.
Nee, eigentlich nicht. Im Gegenteil, man bekommt großen Respekt für diese Sportart und diese Leistung.
Wie stehst du zum Konkurrenzdenken im Sport? Geht es wirklich immer nur darum, die Beste, die Schnellste zu sein?
Natürlich geht man an den Start, um zu gewinnen. Aber Fairness spielt im Sport auch eine große Rolle. Gerade in unserer Sportart, einer Kontaktsportart, bekommt man schon mal den ein oder anderen Ellenbogen ab. Wenn es nicht absichtlich ist, dann ist das kein Problem. Wenn es jedoch öfter passiert, gibt es durchaus auch mal Gerangel oder eine Konfrontation.
Thomas Lurz, 12-facher Weltmeister, mit dem ich aufgewachsen bin, ist auf jeden Fall ein großes Vorbild für mich.
Für mich ist Olympia immer noch das wichtigste Event, das man als Sportler:in erreichen kann. Und darauf arbeitet man vier Jahre lang hin. Natürlich gibt es auch kurzfristige saisonale Ziele, wie die Weltmeister- oder Europameisterschaft. Ohne sie wäre es auch nicht möglich, den Vierjahres-Zyklus durchzuhalten.
Sehr viel, ich bin der Deutschen Bank sehr dankbar, dass es diese Unterstützung für Sportler:innen, die nebenbei studieren, gibt. Nach dem Abitur wollte ich unbedingt etwas nebenbei machen, weil es mir wichtig war, abgesichert zu sein, wenn ich nicht mehr schwimme. In Deutschland ist es einfach nicht so, dass man abgesichert ist, wenn man sportlich erfolgreich ist. Vor allem dann nicht, wenn man kein Fußball oder Tennis spielt. Durch solche Stipendien können Sportler:innen dem Sport weiterhin nachgehen, und das finde ich sehr wichtig.
Ich glaube, jede:r kann Leistungssportler:in werden. Wie gesagt, es ist keine Karriere, mit der man reich wird, man macht es nicht für das Geld, sondern für sich. Ich glaube, dass nur wenige Menschen diese Emotionen haben, die wir Sportler:innen fühlen. Ich habe meine persönliche Bestzeit erreicht. Die Emotionen, die das bewirkt, hat nicht jeder. Ich meine, das ist ein Privileg, das wir Sportler:innen haben und leben dürfen. Ich denke, mit ein wenig Unterstützung und wenn man es wirklich will, dann kann man es schaffen.
Auf jeden Fall würde ich mir wünschen, dass der Leistungssport mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommt. Ich bin jetzt gerade in Italien und merke, dass die Menschen hier Sportler:innen wie Superstars feiern. Da gibt es große Unterschiede in den verschiedenen Ländern. Wenn man in Deutschland Olympiasieger:in wird, bekommt man 20.000 € für eine olympische Goldmedaille, während man in anderen Ländern 250.000 € bekommt, eine Wohnung, ein Auto – das nur als Vergleich. In Deutschland wird Leistungssport zumindest finanziell nicht besonders wertgeschätzt.
Fußball ist in Deutschland das Thema Nummer eins. Klar, auch überall sonst. Aber in Deutschland laufen andere Sportarten gar nicht. Eine Weltmeisterschaft im Schwimmen wird nicht übertragen, das ist in anderen Ländern anders. In den USA zum Beispiel, da wird alles gezeigt und die Leute schauen das auch gerne an. Es gibt so viele Wettbewerbe, so viele Sportarten, die wirklich sehenswert sind. Wie sollen sich die Leute dafür interessieren, wenn in der öffentlichen Übertragung nicht stattfindet?
Was heißt aufgeben? Man macht alles für den Sport. Der gesamte Tagesplan dreht sich um den Sport. Mein Studium richtete sich auch nach dem Sport. Wenn die Vorlesung während des Trainings stattfand, dann musste ich sie ausfallen lassen. Sport ist ja wie ein Beruf. Erst kommt der Sport und dann kommt alles andere. Alles ist strukturiert und man hat einen Tagesplan. Wann muss ich essen, damit ich trainieren kann? Wann muss ich vielleicht ausruhen, damit ich beim Training wieder die körperliche Höchstleistung bringen kann? Klar kann man nicht wie andere Teenager feiern gehen und Alkohol trinken. Aber so etwas vermisse ich auch gar nicht, weil ich sehr auf den Sport konzentriert bin. Alles wird um den Sport herum strukturiert.
Genau. Man hat aber auch Menschen um sich herum, die das verstehen und einen unterstützen. Ohne Unterstützung von Familie und Freunden ginge es nicht. Man muss eben zweimal am Tag fünf Stunden täglich trainieren und wenn man dann abends nicht weggehen kann, weil man kaputt ist und die Freunde das nicht verstehen, ist das eben so. Solche Freunde habe ich zum Glück nicht gehabt. Wenn das Umfeld das nicht versteht, dann wendet man sich, glaube ich, eher ab und muss stark sein. Man braucht einfach die richtige Unterstützung.
Es muss natürlich immer auch in die Gesamtplanung passen. Meistens ist sowas eher schwer, weil man eben WM oder EM oder andere Wettkämpfe geplant hat und sich dann nicht noch mehr körperliche Belastung leisten kann. Deswegen habe ich das jetzt erst mal nicht auf dem Plan.
Deutsche Sporthilfe und Deutsche Bank kürten 2022 bereits zum 10. Mal in Folge den/die „Sport-Stipendiat:in des Jahres“. Die Freiwasserschwimmerin Leonie Beck konnte sich in der öffentlichen Wahl gegen ihre vier Mitstreiter*innen durchsetzen und sich somit den Titel „Sport-Stipendiatin des Jahres 2022“ sichern. Bereits zwei Jahre zuvor war Leonie Beck schon einmal unter den fünf Finalist*innen der Wahl. Die Deutsche Bank fördert gemeinsam mit der Deutschen Sporthilfe Athlet:innen, die mitten im Studium stecken, mit einem Sport-Stipendium, um Leistungssport besser mit beruflicher Zukunft zu vereinbaren. Mehr Informationen zu dem Förderprogramm und zu weiteren Stipendiat:innen findet ihr hier.
Interview: Claudio Rimmele / Qiio Magazin